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Archiv-Artikel

Opferschutz will Sicherheit

Die Beratungsstellen für Zwangsprostituierte in Westfalen fordern die Sicherung ihrer Arbeit auch nach den Landtagswahlen. Die Gewinne der verhafteten Menschenhändler soll an die Opfer gehen

AUS DORTMUNDNATALIE WIESMANN

Die Beratung und der Schutz von Zwangsprostituierten muss auch unter einer neuen Landesregierung gesichert und ausgebaut werden – das forderten gestern die auf Opfer von Menschenhandel spezialisierten Beratungsstellen aus Dortmund, Herne, Hagen und Herford.

„Die bisherige Politik Nordrhein-Westfalens ist herausragend im Vergleich zu anderen Bundesländern“, sagt Rita Kühn von der Evangelischen Kirche in Westfalen, in deren Trägerschaft sich die vier Beratungsstellen befinden. Seit 1989 gibt es Erlasse des Justiz- und Innenministeriums, nach denen Frauen, die sich bereit erklären, gegen die Menschenhändler auszusagen, gesichert untergebracht werden. Mindestens vier Wochen lang stehen sie außerdem unter Abschiebeschutz, um sich für oder gegen eine Zeugenaussage zu entscheiden.

Durch die finanzielle Förderung der Beratungsstellen wird die Begleitung der Opferzeuginnen während und nach dem Prozess gewährleistet. Eine Million Euro jährlich etwa investiert die Landesregierung für Personal- und Unterbringungskosten. Neben den evangelischen Beratungseinrichtungen in Westfalen gibt es im Land noch vier weitere von der Regierung geförderte Anlaufstellen für Zwangsprostituierte.

Die Beratungstellen haben jetzt Wahlprüfsteine aufgestellt, an denen die Parteien gemessen werden sollen. „Der Opferschutz muss fortgesetzt und ausgebaut werden“, sagt Katja Jähnel von der Beratungstelle für Migrantinnen in Herne. Die stark traumatisierten Frauen müssten besser integriert und psychologisch betreut werden. „Nur wenn ihr Selbstbewusstsein halbwegs gestärkt ist, können die Frauen den Prozess gegen die Täter durchstehen“, sagt sie.

Über ein Jahr hinweg berät sie gemeinsam mit einer Kollegin etwa 30 Frauen aus Russland, Bulgarien oder Rumänien. In Herford und Hagen werden 60 bis 70 Ex-Zwangsprostuierte unterstützt. Die Dortmunder Mitternachtsmission hat 130 Frauen jährlich in ihrer Obhut: Vermittelt werden sie über Polizei, Streetworkerinnen oder auch über Freier.

Der Staat solle sich nicht weiter an dem lukrativen Geschäft der Zwangsprostitution beteiligen, in dem er die Gewinne der verhafteten Menschenhändler in den eigenen Haushalt fließen lasse, fordern die Helferinnen. „Das Geld könnte an die Opfer gehen, damit sie sich bei einer Rückkehr in ihre Heimat eine Existenz aufbauen können“, schlagen sie vor. Auch die Anlaufstellen könnten von dem zusätzlichen Geld profitieren – denn nicht alle Kosten ihrer Arbeit würden von der Landesförderung gedeckt. Die Beraterinnen fordern außerdem für sich selbst ein Zeugnisverweigerungsrecht, um das Vertrauensverhältnis zu ihren Klientinnen nicht zu gefährden.

Einig sind sich die Mitarbeiterinnen der Opferberatungsstellen auch darüber, dass die Visa-Affäre von Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) extrem aufgebauscht wurde. „Die Zahl der ukrainischen Prostituierten geht seit Jahren zurück“, sagt Corinna Dammeyer von der Beratungsstelle Nascheda in Herford. Dafür steige die Zahl der Frauen und Mädchen aus den zukünftigen EU-Ländern Rumänien und Bulgarien, die bei ihnen Opferschutz suchten.