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Archiv-Artikel

Glänzender Ahornsirup

Poster von US-Undergroundbands bei Feinkunst Krüger

Wer in Europa bloß musikinteressiert, aber kein ausgesprochener Comic- oder Grafiksammler war, hat vermutlich die grafisch vielältigen Konzertplakate amerikanischer Underground-Bands nicht alle gesehen. Doch Hilfe ist nah: Die Galerie Feinkunst Krüger zeigt derzeit einige Originalgrafiken aus dem kürzlich veröffentlichten Band „The Art Of Modern Rock“, der 1.800 Poster von 375 Künstlern versammelt.

Die Kunst des modernen Rock erscheint hier als grafische Interpretation jener Mythologien, die dem Geist der Musik entsprangen. Der Geist des Rocks, genauer gesagt des Indierocks, verband seit den späten 80er Jahren die Punktradition des Do-It-Yourself mit Neu-Interpretation von Musikstilen, die dem Punk und US-Hardcore lange verhasst waren. Jazz, Folk, Rock‘n‘Roll, Psychedelic waren das Rohmaterial, aus dem man sich bediente, bis man beim Grunge landete.

Starke Kontraste prägen daher auch die jetzt gezeigten Plakate: Da ist einerseits ein kraftvoller Eklektizismus zu spüren, andererseits der Punkprotest von Kindern der amerikanischen Unter- und Mittelschicht.

Begonnen hatte alles in Austin/Texas: Hier gestaltet Frank Kozik seit 1980 Konzertplakate für Bands wie Butthole Sufers oder Boss Hog. Seine grellen Figuren mit ihren nervösen Linien wirkten wie eine psychotische Parodie auf amerikanische Comic-Werbegrafik.

Koziks Stil wirkte inspirierend auf andere Künstler wie Chuck Sperry und Ron Donovan. Auf Sperry/Donovan-Bildern kann eine Figur, die einem Gothic-Horror-Comic der 50er entnommen ist, vor Stadtschluchten stehen, die an Fritz Langs Metropolis erinnern, überschrieben von psychedelischer Sixties-Typographie. Glänzend wie Ahornsirup springen ihre Siebdruckfarben dem Betrachter ins Auge – Werbung ist schließlich primärer Zweck von Konzertplakaten.

Atemberaubend ist nicht zuletzt die Vielfalt der Grafik-Szene. Symbolismen im Stile Adolf Wölflis finden sich neben erotischen Phantasien, Kriegs- und Horrorszenen neben klassischer Rock‘n‘Roll-Ikonographie, Propagandaplakaten des Ersten Weltkriegs oder der chinesischen Kulturrevolution. Das Bad in der neuen Mythologie wurde darüber zur Haupt-, die Bands fast zur Nebensache. Nils Michaelis

Fr 12–19, Sa 12–17, Feinkunst Krüger, Ditmar-Koel-Str. 22, bis 21.5.