Abenteuer Fahrrad
: Salto non mortale

Fahrrad Schrott, Sohn Beule, Vater Gips

Erstaunlich, wie lange das dauert, wenn man sich mit dem Fahrrad überschlägt: Wir sind auf dem Rückweg vom Kinderarzt und dann blockiert das Vorderrad. Ich denke: Was ist denn jetzt los? Dann bäumt sich hinter mir der Drahtesel auf. Ich denke: Was soll das denn jetzt? Dann kommt der Bürgersteig immer näher. Ich denke: Hmmm.

Wenn mein ganzes Leben vor meinem inneren Auge ablaufen würde, hätte es jetzt Zeit für einen abendfüllenden Spielfilm in Überlänge. Da kommt aber nichts, stattdessen finden wir uns auf dem Pflaster wieder. Mein Fahrrad, mein Sohn und ich. Ich erspare Ihnen die Details. Was zählt, ist das Ergebnis: Fahrrad Schrott, Sohn mit Beule, Vater mit gebrochenem Arm. In der Ersten Hilfe des Gertrauden-Krankenhauses bekommt mein Sohn eine Spritze zum Spielen und ich einen Gips vom Handgelenk bis zum Oberarm. Soviel zum Skiurlaub im Harz, der am nächsten Tag beginnen sollte.

Morgens Zeugnisse, vormittags Diagnose Scharlach, mittags Notaufnahme in der Klinik. „Heute haben wir schon viel erlebt“, sagt mein jüngster Sohn nachmittags am Esstisch, wo sich die Familie zusammenfindet, um diesen Einbruch der Realität in unser Alltagsleben zu verdauen. Und dass es genau so gewesen sei wie bei „Indiana Jones“. Wenn wir jetzt bei Facebook wären, meint der Älteste, könnten wir gleich die News vermelden und müssten nicht alle einzeln anrufen. Dann diskutieren wir, ob vielleicht jemand unseren Stunt mit der Handy-Kamera gefilmt hat und ob er längst bei YouTube steht: „Vater und Sohn versuchen einen Salto mit dem Fahrrad. Müssen aber noch üben.“ Aua.

Den nachträglichen Schrecken lassen wir erst gar nicht an den Tisch. Wer nicht ausreichend vorgedacht hat, soll jetzt auch nicht zu viel nachdenken. „In sechs Wochen“, sagt mein Jüngster, „wenn dein Arm wieder ganz ist, versuchen wir den Trick noch mal.“ BERNHARD PÖTTER