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Archiv-Artikel

DUTSCHKESTRASSE

Die Nachrichtenlage

Am meisten ist Lars Meissner von der Friedrichshain-Kreuzberger CDU darüber erbost, dass sich ein Gewerbetreibender – in diesem Fall handelt es sich um uns, die taz – seine Adresse selbst aussuchen darf. „Warum nutzt das Bezirksamt diese Idee nicht als PR-Strategie, um Gewerbe anzusiedeln?“, echauffiert sich der Bezirksverordnete. „Ganz nach dem Motto: Kommen Sie nach Kreuzberg und suchen Sie sich eine Adresse aus.“

Es war das originellste Statement an diesem Abend im Hinterzimmer der Trattoria Giuliano in der Lindenstraße. Bei der Veranstaltung wollte die CDU gemeinsam mit Anwohnern der Kochstraße – ungefähr zwei waren auch da – klären, wie man die Umbenennung in Rudi-Dutschke-Straße, die von der taz initiiert wurde, verhindern kann. Dafür hat sie in die alte Trickkiste gegriffen: Feindbilder wurden beschworen. Was kann schöner sein?! Aus Sicht der CDU ist Dutschke ein Radikalinski, ein Antidemokrat, ein Apparatschik. Einer, dem weder Straße noch Straßenname gebührt.

Dabei hätten sich die Christdemokraten gar nicht so ins Zeug legen müssen, denn keiner widerspricht. Das aber passt den Feierabendpolitikern auch nicht. Um zu zeigen, dass man Recht hat, braucht es jemanden, von dem angenommen wird, dass er anderer Meinung ist. Niemand war da. Nur ich. Ich war die taz. „Die taz will mit der Kampagne ihre Auflage steigern.“ „Die taz trägt auf dem Rücken des Bezirks eine Werbekampagne aus.“ „Die taz hievt einen Radikalen in den Stand eines Straßennamenträgers.“ „Die taz wird einen Aufruf machen: Kommt alle zur Informationsveranstaltung des Bezirks über die Umbenennung der Koch- in Dutschkestraße am 31. Mai, um so die wahre Meinung“ – damit ist die der CDU gemeint – „in Grund und Boden zu stampfen.“ Alle CDUler nicken in Richtung der taz.

Nur einer nicht. Der ist so jung, dass er gar nicht merkt, wie sehr er von der außerparlamentarischen Opposition gelernt hat. Er schlägt eine E-Mail-Kampagne vor. Das Postfach der Bürgermeisterin soll mit Protestnoten zugemüllt werden, damit sie sieht, was die Leute wirklich wollen. Der Rest der einstündigen Veranstaltung geht in der bereits oben beschriebenen Endlosschleife unter. Waltraud Schwab  Foto: AP