Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Auf den ersten Blick schienen sie nicht so recht zusammenzupassen, das blonde All-American Girl Ginger Rogers und der stets elegante Fred Astaire. Aber „sie gab ihm Sex, er verlieh ihr Klasse“, meinte Katharine Hepburn einmal im Hinblick auf die Frage, warum die beiden als Leinwandpaar dann doch unvergleichlich harmonierten – zumal im gemeinsamen Tanz. Anders als in den Busby-Berkeley-Showmusicals sind die Musiknummern in Astaire-Rogers-Filmen ein unverzichtbarer Bestandteil des Plots, denn Gesang und Tanz sind für Astaire stets die probaten Mittel, die widerspenstige Ginger zu verführen: Wenn Worte allein die Gefühle nicht mehr ausdrücken können, helfen Musik und Bewegung allemal. Manchmal geht es, wie in George Stevens’ „Swing Time“ von 1936, dabei allerdings auch recht komisch zu: Da besingt Fred das tolle Aussehen seiner Angebeteten und schmachtet voller Hingabe Jerome Kerns „The Way You Look Tonight“, um anschließend etwas befremdet auf eine leicht derangierte Ginger mit eingeseiftem Kopf zu blicken. Ein weiterer Höhepunkt des Films: Freds Specialty-Tanznummer als Blackface-Performer in einer Hommage an sein Vorbild Bill „Bojangles“ Robinson.Jacques Tatis fünf Spielfilme besitzen ein gemeinsames Thema: die Verlorenheit des Menschen in der perfekt organisierten Moderne. Die, so Tatis Vision in „Mon oncle“ (1958), ist komplett grau, eintönig und einer sinnvollen Funktionalität restlos entkleidet. Da muss M. Hulot gegen den Küchenschrank seiner Schwester ankämpfen, dem er ein Wasserglas entnehmen möchte, und das Ehepaar Arpel wird vom Dackel in der Garage eingesperrt, weil man sich ein vollautomatisches Tor mit Lichtschranke zugelegt hat. Jacques Lagranges Entwurf der hypermodernen Villa Arpel mit dem Wasser speienden Blechfisch (nach Lagranges Aussage ein „architektonisches Potpourri“ aus Ideen der Zeit) ist längst ein Klassiker der Filmarchitektur. Dabei ist es Tati letztlich weniger um eine bloße Parodie modernen Wohnens und Arbeitens zu tun als um die damit einhergehende Seelenlosigkeit der Menschen. Lustig wird es immer erst im leichten Chaos, das M. Hulot ganz unbeabsichtigt zu verbreiten versteht.Dass so oft Mädchen oder junge Frauen im Mittelpunkt seiner Zeichentrickfilme stehen, hat Hayao Miyazaki damit erklärt, dass sie ihm in Abenteuergeschichten eine größere Vielschichtigkeit in der Zeichnung der Charaktere erlaube. Dies trifft zweifellos auch auf „Prinzessin Mononoke“ (1997) zu, in dem zwei Frauen sich in einem mythischen Japan erbittert bekriegen: Eboshi ringt als Stadt-Herrin der Natur gnadenlos ihre Schätze ab, während sich die von mächtigen Wolfsgöttern aufgezogene Prinzessin Mononoke verzweifelt gegen die fortschreitende Industrialisierung und Umweltzerstörung wehrt. Das Fantasy-Epos um das aus den Fugen geratene Gleichgewicht zwischen Natur, Göttern und Menschen besticht dabei vor allem mit seiner reichen künstlerischen Gestaltung von alten Wäldern, reißenden Flüssen und stillen Seen. LARS PENNING