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Archiv-Artikel

Noch einen auf die Krise

Wer Sorgen hat, hat immer noch den Schnaps. Trotz mieser Geschäftslage halten sich Berentzen-Aktionäre bei Laune

Wenn der Spirituosenhändler Berentzen seine Aktionäre im Frühling zur Hauptversammlung ruft, herrscht im Emsland Volksfeststimmung. Straßen werden abgesperrt, die örtliche Feuerwehr ist in Mannschaftsstärke auf den Beinen und im Funkverkehr-Kauderwelsch der Busfahrer ertönt immer wieder „Berentzen“. Die Aktionärsversammlung des seit 1758 alteingesessenen Unternehmens in Haselünne ist kein Treffen von Anteilseignern wie jedes andere.

Wobei die Aktionäre derzeit wenig Grund zur Freude haben. 2005 wird die Berentzen Gruppe AG erneut Verluste einfahren, erwartet wird ein Jahresfehlbetrag, der sich aber „unter der zweistelligen Millionenmarke bewegt“. Doch die ernüchternden Zahlen vom Geschäft mit dem Hochprozentigen und der zwangsläufige Verzicht auf jegliche Dividende trüben ihre Stimmung an diesem Donnerstag im Laufe der Veranstaltung nicht.

„So schlecht ist die Dividende gar nicht“, sagt einer anschließend im Festzelt nebenan und zeigt auf einen gefüllten Teller. Zuvor hatte er als Redner im Plenum erklärt, er habe wegen der schlechten Geschäftslage alle seine Aktien bis auf neun Stück verkauft. „Jetzt kann ich trotzdem noch hierhin kommen und krieg ’ne Flasche Schnaps“.

Zur guten Stimmung in den dicht besetzten Stuhlreihen trägt auch sein Nachfolger am Rednerpult bei. „Ich bin – wie man sieht – ein Kleinaktionär“, sagt der junge Mann in selbstironischer Anspielung auf seine kaum 1,70 Meter Körpergröße. Danach geht er jedoch hart mit dem Vorstand ins Gericht. Wie viele Aktionärsvertreter spricht er das fehlende Stimmrecht für Vorzugsaktien an. Nur die Stammaktien im Besitz der Gründerfamilien sind stimmberechtigt.

Vorstandssprecher Jan Berentzen rechtfertigt die Politik der Firmenleitung. Auffallend deutlich dankt er den 760 Mitarbeitern der Spirituosen-Gruppe für ihr Durchhalten in schwerer Zeit. Die Verluste von 13,8 Millionen Euro bei einem Umsatz von 180,1 Millionen Euro (ohne Branntweinsteuer) im vergangenen Jahr will er deutlich reduzieren, im Jahr 2006 sogar wieder Gewinne schreiben. Der Forderung nach der harten Hand eines Sanierers erteilt er eine Absage. „Wir brauchen niemanden, der sich heute mit Chemie und morgen mit Damenstrümpfen befasst“, wettert Berentzen. Den Aktionären gefällt’s.

Während er das sagt, sind die Reihen vor dem Rednerpult allerdings schon gelichtet. Dafür haben sich im Festzelt lange Schlangen gebildet. Zur eingehenden Produktkontrolle. dpa