: Sie kämpfen für Gleichberechtigung in der Musik
POPFEMINISMUS Harsche Gitarrenriffs statt Keyboard-Schlieren und Computerbeats: Die Wiener Band Luise Pop entscheidet sich auf ihrem zweiten Album „Time Is A Habit“ für den Rock. Den Melodien und ihrer Agenda als Untergrundbewegung bleibt sie treu
Talent, Fleiß, Disziplin, der ganze Kram nützt oft gar nichts. Man braucht vor allem das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Luise Pop könnten gerade dabei sein, diesen perfekten Moment abzupassen. Denn die Band aus Wien, deren Sängerin Vera Kropf mittlerweile eine Wohnung in Berlin bezogen hat, liefert – durchaus gewollt – den Soundtrack zu den feministischen Grundsatzdiskussionen unserer Tage.
Das gelingt Luise Pop, indem sie mit ihrem zweiten Album, „Time Is A Habit“, musikalisch einen Blick zurückwerfen in die Zeit, als sich Frauen nicht mehr nur mit einem Platz als Einzelkämpferin, Vortänzerin oder Stimmwunder im Pop begnügen wollten. Damals, Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, forderten nicht nur immer mehr Frauen endlich auch in der Musik die Gleichberechtigung ein, sie taten das vor allem erstmals kämpferisch, systematisch und auf ideologischer Grundlage. Mit den Riot Grrrls kam der Feminismus doch noch in der Popmusik an und veränderte zumindest den Indie-Rock substanziell.
Die Musik sprechen lassen
Dachte man. Doch so, wie nun selbst Politikerinnen in bürgerlichen Parteien frustriert feststellen, dass der gläsernen Decke vielleicht doch nur mit einer Quote beizukommen ist, müssen nun auch Musikerinnen registrieren, dass die Erfolge von damals nicht so nachhaltig waren wie gedacht. Eine der lautstärksten Anklägerinnen ist Christiane Rösinger, die sich vor allem in Interviews über die immer noch herrschende Diskriminierung im Musikgeschäft beschwert.
Luise Pop lassen auch die Musik sprechen. 2009 wurden sie mit dem Song „Feminist Terrorists“ und dem dazugehörigen Debütalbum „The Car The Ship The Train“ in ihrer österreichischen Heimat bekannt. Musikalisch baute man damals allerdings noch auf klapprige Computerbeats und dickflüssige Schlieren aus dem Keyboard von Lisa Berger. Seitdem hat sich allerhand verändert: Die Elektronik ging, Bassistin Erin Stewart und Schlagzeuger Martin Lehr kamen und mit ihnen der Rock. Trotzdem erkennt man Luise Pop sofort wieder. Denn geblieben sind auch auf „Time Is A Habit“ die großen Melodien, denen man Vera Kropfs große Liebe anhört, die Surf-Musik. Der huldigte sie früher noch ausführlicher mit der Instrumental-Band Sonodrom Express, die ohne Kropf immer noch aktiv ist. Aber unter den eingängigen Refrains liegen nun harsche Gitarrenriffs, eckige Rhythmen und eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Riot Grrrlismus und deren ikonografische Bands: Bikini Kill und deren Nachfolgeformation Le Tigre.
Der ruppige Indie-Rock der amerikanischen Vorbilder klingt bei Luise Pop tatsächlich wieder fast so undomestiziert und doch tanzbar wie damals. Textlich gibt sich Kropf, die in Berlin zusätzlich mit Jens Friebe, Anna Leena Lutz und Julie Miess die Band Half Girl gegründet hat, nun zwar nicht mehr so radikal wie in „Feminist Terrorists“, aber die Agenda ist weiter dieselbe: „Wir sind nach wie vor eine Untergrundbewegung“, ließ sie in einem Interview wissen, und an anderer Stelle, dass der Feminismus weiter die Mission der Band sei, die Strategie nun aber nicht mehr die Konfrontation, sondern die Infiltration. Tatsächlich fehlen in manchen bürgerlichen Parteien ja bloß noch ein paar Stimmen, dann könnte das doch noch klappen mit der Quote.
THOMAS WINKLER
■ Luise Pop: „Time Is A Habit“ (Siluh Alive), 15. 3., mit Half Girl im Monarch