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Archiv-Artikel

Ein Volksfest für Sportfreunde

Hunderttausend Menschen treffen sich heute zum Internationalen Deutschen Turnfest in Berlin. Das will wegkommen vom altbackenen Image mit Stufenbarren und weißem Trainingsanzug

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Die Turner kommen. Mehr als 100.000 Menschen aus ganz Deutschland haben sich auf den Weg nach Berlin gemacht, um hier ab heute eine Woche lang das Internationale Deutsche Turnfest zu feiern. Alle vier Jahre trifft sich die deutsche Turngemeinde zur gemeinsamen Großfeier. Diesmal also in Berlin, das mit der Ausrichtung den Status Berlins als Sportstadt pflegen will.

Die Turner reisen also in die Hauptstadt. Sie wollen eine bunte Feier zelebrieren, zeigen, dass das Turnen nur noch wenig Gemeinsamkeiten hat mit den Übungen zur Leibesertüchtigung, mit denen der ehemalige Übervater der Turner, Friedrich Ludwig Jahn, vor beinahe 200 Jahren in Berlin die deutsche Turnbewegung begründet hat. Die Organisatoren vom Deutschen Turnerbund verzichten in ihren Presseerklärungen und Broschüren ganz bewusst auf Huldigungen an Jahn, dessen nationalistische Grundeinstellung ihnen nicht mehr zeitgemäß erscheint. Mit der Leibesertüchtigung zum Zwecke der Steigerung der Wehrfähigkeit hat der moderne Turnsport ohnehin nur noch wenig gemein. Gesundheitssport und Fitness sind die Schlagworte der Gegenwart. „Berlin bewegt uns“, so lautete das Motto des diesjährigen Turnfestes. Davon sollen sich auch die angesprochen fühlen, denen das Turnen am Stufenbarren oder Reck nicht unbedingt zusagt.

Auf dem Kinderturnen und dem Sportangebot für Menschen über 50 liegt das Hauptaugenmerk der Turner von heute. Die meisten Mitglieder der Turnvereine nutzen Angebote aus diesen Bereichen. Der Turnerjugend ist der Hauptteil der Veranstaltungen gewidmet. 50 Prozent der teilnehmenden Sportler sind noch nicht erwachsen. Sie werden das Programm bei den Turnshows, beim Festumzug am Samstag und in den Messehallen am Funkturm hauptsächlich prägen und versuchen, das Bild vom altbackenen Turner im weißen Trainingsanzug ein wenig zu korrigieren. Beim Turnfest-Umzug am Samstag auf der Straße des 17. Juni werden sich die Sportler darstellen. Dort kann dann beurteilt werden, wie modern das moderne Turnen wirklich ist.

Bisweilen nämlich kommt es wenig trendy daher. Vor allem einige der so genannten Turnspiele sind alles andere als zeitgemäß. Faustball, Korbball oder Korfball werden vom DTB zwar noch verwaltet, ihr Charakter ist allerdings eher museal. In den Messehallen am Funkturm, von denen ein Großteil für die Turner reserviert ist, stellen sich diese Turnspiele vor. Auf dem Messegelände werden sich wohl die meisten Turnfestteilnehmer während der Veranstaltungswoche tummeln. Dort finden auch die Wettbewerbe der Freizeitsportler statt.

Aber auch der Spitzensport stellt sich zum Turnfest in Berlin vor. Die Trampolinturner mit der Olympiasiegerin Anna Dogonadze tragen ihre deutschen Meisterschaften am Dienstag im ICC aus. Auch die Geräteturner, die durch die Erfolge von Fabian Hambüchen wieder zu unerwarteter Popularität gekommen sind, kämpfen in der Turnfestwoche um nationale Titel. Doch das ist eher Beiwerk. Im Mittelpunkt soll der Freizeitsport stehen. Der wird auch an zentralen Orten in der Stadt präsent sein. Beim Turnspielparcours auf dem Platz vor dem Fernsehturm beispielsweise. Wer will, kann hier seine Geschicklichkeit beim Weit- und Zielwerfen testen. Dass Turner witzig sein können, auch das soll auf dem Turnfest gezeigt werden: Beim Wettbewerb im Gummistiefelweitwurf am Sonntag am Maikäferpfad darf wahrscheinlich auch gelacht werden.