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Archiv-Artikel

Das richtige Gefühl für den Augenblick

Bewährungsprobe bestanden: Mit nur zwei, drei Singles hat die Band Maximo Park ihren Ruf als jüngste Rettung des britischen Pop begründet. Ihr Albumdebüt „A Certain Trigger“ hält, was der Hype verspricht, und zielt musikalisch treffsicher auf den Sound der Postpunk-Ära von 1979 bis 1984

VON GERRIT BARTELS

Vor ein paar Wochen gab es in Berlin eine gut und prominent besuchte Veranstaltung des deutschen Literaturbetriebs, die Geburtstagsparty einer Literaturagentur. Anstatt dass man sich dort aber auf- und angeregt über eine neue Lichtgestalt aus der literarischen Szene unterhielt, über ein Buch, das die Literaturwelt möglicherweise nachhaltig verändern wird, schwirrte eine ganz andere Frage durch die Räumlichkeiten, mitsamt der überschwänglichen Bewertung: „Und, schon Maximo Park gehört? Oder gar gesehen? Ganz, ganz groß! Noch besser als Franz Ferdinand!“

Maximo Park also. Die jüngsten Popretter aus England nach den Libertines, nach Franz Ferdinand, nach Bloc Party, nach The Bravery und wie die glaubhaften und meist weniger glaubhaften Hypes so heißen. Maximo Park sind die nächste ganz, ganz große und junge Band aus England, an der nicht nur die Indie- und Britpop-Nerds ihre Freude haben, sondern auch die lediglich durchschnittlich an Pop interessierten Menschen und die, die eigentlich nur Zeit und Muße für Gutes, Großes und Abgehangenes haben. Zudem sind sie die erste englische Gitarrenband, die es auf ein Label wie Warp geschafft hat, das trotz oder gerade solcher Quälgeister wie Autechre wegen als Inbegriff für avancierte elektronische Musik gilt.

Bei so viel Vorschlusslorbeeren und nach so einem mehrfachen Wirtswechsel mit erfolgreicher Virusausbreitung ist ein erstes langes Album natürlich eine echte Bewährungsprobe – die zwei, drei Singles, die Maximo Parks Ruf begründeten, die haben schon viele hinbekommen, nur um danach kläglich zu enttäuschen. Und was soll man sagen: Die finstere Entschlossenheit, einfach mal nein zu rufen und die blöde Hypemaschinerie auseinander zu nehmen, weicht schnell der Überzeugung, es bei dem am Dienstag erscheinenden Maximo-Park-Debütalbum „A Certain Trigger“ (Warp/Rough Trade) mit tougher, lebendiger Popmusik zu tun zu haben.

Das Album hält 13 Songs und 40 Minuten lang, was die Singles „Graffiti“, „The Coast Is Always Changing“ und „Apply Some Pressure“ versprochen haben, und das wirklich mit ausschließlich Highlights und ohne einen Ausfaller nach unten: Melodien, Pop und Energie, positive Unruhe, Jugend und nochmal Pop, aber genau von der Sorte, die im Radio noch immer für ein überraschendes Stottern im formatierten Sendeablauf sorgt und auch im Fußballstadion nur schwer funktionieren dürfte.

Maximo Park spielen genau die Popsongs, die es vermögen, innerhalb von drei, vier Minuten mehr als nur eine Idee zu transportieren, und dabei trotzdem enorm kompakt sind. Es sind Songs mit plötzlichen Rhythmuswechseln von nervös und hibbelig bis straight nach vorn, mit plötzlichen Stimmungswechseln von himmelhochjauchzend bis elegisch; Songs mit Quietsche-Keyboard, gespanntem Bass und entspannt jangelnden Gitarren, die dazu einen überzeugenden Interpreten haben: Paul Smith versteht es, die übliche Teenage-Angst-und-Teenage-Langeweile-Gebrauchslyrik von „I am young and I am lost“ bis „I’m going missing for a while, I’ve nothing left to lose“ glaubwürdig genug, mit der nötigen Tragik und ordentlich versnobter Britishness an sein Publikum zu bringen. Songs also, um es platt zu sagen, die beim ersten Mal funktionieren, die frisch und funky sind, aber selbst beim zehnten Hören sich lange nicht abgenutzt haben.

Neu im Sinn von noch nie gehört ist „A Certain Trigger“ natürlich nicht. Das Album zielt wie im Moment so viele andere Popmusik aus England sicher in die goldene Postpunkära von 1979 bis 1984, setzt sich gern zwischen The Jam, Wire und XTC, hat aber auch nichts gegen lupenreinen Punk und findet sich dann wieder ein bei unterschiedlichen Bands wie den Smiths („Postcard Of Painting“), The Cure („Acrobat“) oder Pulp (alles). Und was die Zeitgenossen betrifft: Maximo Park sind empfindsamer und ausgefuchster als Franz Ferdinand und lange nicht so elegisch wie Bloc Party.

Im Sinn der Erfinder ist dieses Verweisspiel selbstredend nicht. Je mehr Namen der Vergangenheit und der Gegenwart ins Spiel kommen, umso beleidigender wird das – aber auch umso verwirrender, umso unschärfer, weshalb sich eines Tages wohl herausschälen dürfte, dass Maximo Park nichts anderes sind als Maximo Park. Dass aber ihr erstes Album „bleiben wird“, wie es ein begeisterter Kritiker einer deutschen Musikzeitung feststellte, ist ja gar nicht das Gebot der Stunde, wenn nicht gar ein Fehlurteil: Richtig gut ist Popmusik immer dann, wenn es nicht um Dauer, gar Ewigkeit geht. Und darum geht es Maximo Park definitiv noch nicht.