: Schleusen für Anfänger
Die Seenkette rund um Rheinsberg lässt sich auch mit einer Yacht erkunden, und das ganz ohne Führerschein. Infos über das An- und Ablegen, Motorbrände, Mann über Bord oder das Tragen von Rettungswesten gibt ein dreistündiger Einführungskurs
VON ALFRED DIEBOLD
„Der Reisende in der Mark muss sich mit einer feinen Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Wenn du das Wagstück wagen willst, füll deinen Beutel mit Geld. Eigentümliche Freuden und Genüsse werden dich begleiten“. (Aus: Theodor Fontane „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“)
Wer sich heute auf die brandenburgischen Seen rund um Rheinsberg begibt, weiß: Der Landschaftsliterat hatte Recht. Ist das Säcklein mit dem Geld erst einmal gefüllt, können Reisende mit der eigenen Yacht bequem auf Fontanes Spuren schippern, die Schönheit der Natur genießen und abends in einer einsamen Bucht vor Anker gehen.
Seit einiger Zeit geht das sogar ohne Bootsführerschein. Vor der Fahrt durch die brandenburgische Seenlandschaft steht allerdings eine intensive Einweisung. Stefan Halbeck, ausgebildeter Bootsführer und Sohn des Reeders, erklärt anhand von bewährten Schulungsunterlagen, worauf der zukünftige Bootsführer zu achten hat: Verkehrsregeln, Signallichter bei der Schleuseneinfahrt, Brückendurchfahrten, Verhalten bei Begegnungen, umweltgerechtes Benehmen und vieles mehr.
Danach kommt der spannende praktische Teil: Motor starten und stoppen, an- und ablegen, festmachen und ankern, Mann über Bord, Manöver von Backbord und Steuerbord, Anlegen von Rettungswesten, was tun, wenn der Motor brennt, Grundberührungen und was sonst so alles passieren kann. Besonders wichtig ist zu wissen, mit welchen Schaltern man was in Bewegung setzt. Wie funktioniert die Dusche, die Toilette, die Kochplatten. Über Unfälle und mögliche größere Risiken wird nicht gesprochen. Dies könnte die Euphorie bremsen. Fazit: selten so viel gelernt in drei Stunden.
Dann steigt die Spannung. Nach gut 90 Minuten praktischem Training geht es auf Fahrt. „Dann wünsch ich Ihnen viel Spaß, und, übrigens, Bootsunfälle kommen bei Leuten mit Bootsführerschein häufiger vor als bei denen, die wie Sie nur einen Charterschein haben“, gibt der junge Mann noch mit auf den Weg. Zum ersten Mal ganz allein am Gas oder wie man den Hebel nennt. Drückt man nach vorn, geht die Drehzahl des Volvo-Penta-Motors mit 115 PS hoch und das Schiff bewegt sich in die gewünschte Richtung. Zieht man den Hebel nach hinten, fährt das Schiff rückwärts. Die Mittelstellung zeigt Leerlauf an. Ganz einfach könnte man meinen. Ein herrliches Gefühl, der Bug hebt sich etwas aus dem Wasser, das Schiff nimmt Fahrt auf, plötzlich kommt etwas Fahrtwind auf. Mit Tempo 12 Kilometer geht es übers offene Wasser, mehr ist nicht erlaubt. Für sparsame Zeitgenossen ist es sowieso besser, langsamer zu fahren, da der Dieselverbrauch schnell ins Geld geht.
Beim Blick auf die Landkarte sieht man bald, dass zwischen Rheinsberg, Waren an der Müritz, Neustrelitz und Templin unzählige Seen und Kanäle miteinander verbunden sind, die befahren werden dürfen. Bereits im 19. Jahrhundert wurde ein Kanalsystem mit zahlreichen Schleusen geschaffen, das heute Havel, Elbe, Mittellandkanal, Müritz und Oder verbindet. Von der Havel-Müritz-Wasserstraße profitieren heute die Freizeitkapitäne und weniger die kommerzielle Schifffahrt. Die Kanäle sind nicht breit, die Brückendurchfahrten erfordern fahrerisches Geschick. Idyllische, ruhige und traumhafte Stellen gibt es im ganzen Einzugsgebiet.
Ob es besser ist, eine längere Tour in Etappen zu planen oder sich einfach treiben zu lassen, muss jeder für sich entscheiden. Sicher ist, dass der Bootsführer und seine Mannschaft Schleusen nicht umfahren kann. Hier braucht man ein feines Gespür für die Schiffsschraube und Steuerung, Menschenführung, gute Nerven. Schleusen stellen immer eine Herausforderung dar. Die Zufahrten sind eng. Konzentration ist angesagt. Die Fender, große, strapazierfähige Gummibälle, müssen am Schiff so angebracht werden, dass sie den Schiffskörper vor der Schleusenmauer schützen.
Vor den Schleusen trifft man auf Gleichgesinnte und grüßt sich durch lässiges Handzeichen. Im Sommer können die Wartezeiten bis zu drei Stunden betragen.Viele Geschichten, Seemannsgarn, sind im Umlauf. Kürzlich soll das Schleusentor in Diemitz von einem Charterschiff gerammt worden sein. Es habe Tage gedauert, bis der Schaden behoben war, über die Kosten wird spekuliert. Gut zu wissen, dass in unserem Fall die Haftpflicht- und Vollkasko-Versicherung nach Abzug der Selbstbeteiligung einspringen würden.
Spätestens nach der dritten Schleuse kennt man die wichtigsten Verkehrszeichen, rechts vor links, Fahrgastschiffe wie auch Segler haben immer Vorfahrt, bei Grün fahren und bei Rot warten. Niemals die Geschwindigkeit überschreiten. Liegeplätze gibt es bei allen kleineren und größeren Städtchen. Faustregel: ein Euro die Stunde oder pro Meter Schiff, wenn man die Nacht am Liegeplatz verbringt.
Unser Schiff, die „Maren“, wurde in den Niederlanden gebaut und speziell für den Charterbetrieb ausgestattet. Sie ist fast zehn Meter lang und bietet Platz für vier Erwachsene, hat eine Toilette, eine Kochnische und viel Platz. Zu zweit ist es perfekt. Das Cabrioverdeck ist mühsam abzunehmen, aber bei schönem Wetter sollte es geöffnet sein, um dieses herrliche Gefühl von Sonne, Wasser und Natur auszukosten. Wer gerne kocht, muss etwas improvisieren. Zwei elektrische Kochplatten laden geradezu zum Spaghettiessen ein.
Die Fahrten über die Seen und die Kanäle machen das ganz große Erlebnis ebenso aus wie das Liegen in stillen, unberührten Buchten. Hin und wieder kommt ein Schwan im Tiefflug vorbei, dann stürzen sich Fischreiher ins Wasser oder Raubvögel kreisen. Ein intensives Erlebnis: Bäume, Wolken, alles spiegelt sich im Wasser, ein herrlicher Anblick, besonders frühmorgens und spätnachmittags ist die Stimmung romantisch. Ideal, um Kurt Tucholskys „Rheinsberg – Ein Bilderbuch für Verliebte“ zu lesen oder besagten Fontane.
Infos: Yachtcharter Reederei Halbeck, Markt 11, 16831 Rheinsberg, Tel. (03 39 31) 3 86 19, www.schifffahrt-rheinsberg.de, www.rheinsberg.de