LESERINNENBRIEFE
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Selbstherrliche Leistungsträger

■ betr.: „Schulsystem durchlässig – nach unten“, taz vom 12. 3. 12

Arme Schüler sind arm dran. Ist das neu? Schon vor mehr als zehn Jahren wurde klar, unser Schulsystem ist gnadenlos und unfair. Es benachteiligt Kinder nach ihrer sozialen Schicht – systematisch, bei gleicher Leistungsfähigkeit. Das hat die erste Pisa-Studie aufgedeckt. Im Interview mit der taz meint Willi Bos, Leiter des Schulentwicklungsinstituts der TU Dortmund, dazu: „Chancengerechtigkeit wird im deutschen Bildungssystem oft ausgeblendet, im Vordergrund steht die Leistung!“ Wie das, wenn die Kinder bei gleicher Leistungsfähigkeit schlechtere Chancen haben? In Deutschland steht eher die sozioökonomische Gruppenzugehörigkeit im Vordergrund. Und wer nicht in die Gruppe der selbstherrlichen Leistungsträger gehört, ist arm dran – nicht nur im Schulsystem. Doch einen Hoffnungsschimmer gibt es. Als vor mehr als zehn Jahren die Pisa-Studie veröffentlicht wurde, war die Durchlässigkeit nach unten ganz sicher noch größer. Wie viel Abwärtswechsler kamen denn damals auf einen Aufwärtswechsler: 100 oder sogar 1.000 zu eins?

MARGRET BONIN, Bad Segeberg

Gerechte Rentenanpassung

■ betr.: „Renten steigen ab Juli. 2,2 Prozent mehr für RentnerInnen“, taz vom 12. 3. 12

Ja, es ist für die Rentner erfreulich, dass in diesem Jahr ab Juli die Renten wieder deutlicher erhöht werden. Doch die Frage muss gestellt werden: Ist die Art und Weise der jährlichen Rentenanpassungen angemessen, und vor allem ist sie gerecht? Denn die Rentenerhöhungen werden prozentual, gemessen am Rentenwert, vorgenommen. Das bedeutet für dieses Jahr bei einer Monatsrente von 750 Euro (also eine sehr niedrige Rente) eine Erhöhung um monatlich 16,95 Euro. Für einen Rentner mit einer Monatsrente von angenommen3.000 Euro (ja, auch das gibt es!) erhöht sich die diesjährige Rente um 67,80 Euro, also um das Vierfache. Die Kluft zwischen Minimal- und Maximalrenten, zwischen Arm und Reich, wird also stetig größer! Wer schon viel hat, bekommt immer mehr, wer wenig hat, muss sich mit weniger zufrieden geben. Ist das gerecht? Denn die steigenden Lebenshaltungskosten sind für alle gleich. Wäre es nicht besser, die Rentenerhöhungen einheitlich mit einem Grundbetrag vorzunehmen? Darüber sollte nachgedacht, diskutiert und entschieden werden! DIETER LEHMANN, Falkenberg

BürgerInnen direkt berührt

■ betr.: „Tod des Fachpolitikers“, taz vom 12. 3. 12

Martin Herrmann spricht ein Problem an, das zwar in der großen Politik „weit unten“ rangiert, die Bürger aber direkt berührt und tatsächlich die Demokratie in ihrem Grund trifft. Sein Parteikollege Karl-Martin Hentschel aus Schleswig-Holstein hat sich dazu schon 2006 in seinem Beitrag „Über die kommunale Basis des skandinavischen Sozialstaates“ (in: www.oeko-net.de/Kommune/kommune06-06/akommunen.htm) Gedanken gemacht. Er spricht darin das skandinavische Kommunalmodell an, das einerseits regional weiter gefasst ist als in Deutschland, diesem aber wesentlich mehr Zuständigkeiten und konsequenterweise deutlich mehr Steuereinnahmen zuspricht. Dank eines autonom wählbaren Zuschlags zur Einkommensteuer entscheidet die Kommune selbst über Qualität und Quantität ihrer Leistungen in den Bereichen Soziales, Bildung und Infrastruktur und die damit einhergehenden Belastungen ihrer Bürger. Dergestalt eigen statt fremd „von oben“ bestimmt wird Demokratie gelebt und die Gemeinde belebt. Übrigens hat der SSW (Schleswig … Wählerverband) genau dieses Modell für Schleswig-Holstein angeregt. ARNO GAHRMANN, Bremen