: Forscher fordern mehr legale Fluchtwege
Migration könne nicht verhindert werden, heißt es im aktuellen „Report Globale Flucht“
Von Alice von Lenthe
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte kurz nach seinem Amtsantritt die Zurückweisung von Schutzsuchenden an den deutschen Außengrenzen angeordnet. Das erklärte Ziel: illegale Migration unterbinden und Schleuser stoppen.
WissenschaftlerInnen im Feld der Flüchtlingsforschung halten diesen nationalen Ansatz in der Migrationspolitik für kontraproduktiv. Am Montag stellten einige von ihnen den diesjährigen „Report Globale Flucht“ des Verbundprojektes „Flucht- und Flüchtlingsforschung: Vernetzung und Transfer“ (FFVT) vor. Dabei sagte einer der HerausgeberInnen: „Solche Abwehrmaßnahmen sind nicht neu. Wir sehen sie seit dreißig Jahren.“ Die Forschung habe jedoch gezeigt, dass abgewiesene Menschen immer und immer wieder versuchen würden, in ein Land zu gelangen, bis sie damit Erfolg hätten. „Sie fliehen, um ihr Leben zu schützen. Dies kann nicht verhindert werden“, heißt es in dem Report weiter.
Restriktivere Grenzpolitik würde Schmuggler auf den Plan rufen, die mithilfe von falschen Papieren, seeuntüchtigen Booten oder in Lkws versuchten, Menschen über Grenzen zu bringen. Kriminalität nähme noch zu und nicht ab. Ein Rückgang von illegalen Einreisen sei kurzfristig, bis sich Schutzsuchende und Schleuser an die neuen Gegebenheiten angepasst hätten. Um Migration nach Deutschland vorzubeugen, müssten stattdessen Fluchtursachen bekämpft werden. Besonders wichtig sei es, die Lebensbedingungen von Geflüchteten zu verbessern. Dabei gelte es, lokale Integration, Perspektiven und Teilhabe in ihren Heimatländern zu verbessern – zum Beispiel durch einen zuverlässigen Aufenthaltsstatus sowie Zugang zu Bildung und Arbeit.
Auch an den EU-Außengrenzen seien Aufenthalte in Lagern zum Dauerzustand geworden, so die ForscherInnen. Geflüchtete würden dort „festgesetzt“ und von der gesellschaftlichen Teilhabe langfristig ausgeschlossen. Auch das bewege sie dazu, weiter nach Deutschland zu reisen. Um Migration effektiv zu „steuern“, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist, seien Kontingentlösungen der richtige Weg. Durch Resettlement-Programme könnten besonders vulnerable Gruppen legal und sicher nach Deutschland gelangen. Grundsätzlich fordern die ForscherInnen mehr internationale Zusammenarbeit, um den Schutz von Geflüchteten zu gewährleisten. Die neue Bundesregierung hat sich ganz im Gegensatz dazu darauf geeinigt, freiwillige Aufnahmeprogramme zu beenden, legale Familiennachzüge auszusetzen und Rückführungsabkommen auszuweiten.
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