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Kita, Kirche, keine Küche

Bremens kirchliche Kitas wollen das frisch gekochte Kita-Essen abschaffen. Es sei zu teuer. Künftig soll es Aufgewärmtes geben. 150 Beschäftigten droht die Arbeitslosigkeit

Frisch gekochtes Essen soll es bei Bremens größtem Kitaträger bald nicht mehr geben Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Von Lotta Drügemöller

Ob im nächsten Jahr wohl noch frisch gekocht wird für die „Frösche“ und „Raupen“ und „Igel“? Die drei Kindergruppen an der Kita der Evangelischen Christuskirche in Woltmershausen gehören zu den vierzig Kitas der Bremer Evangelischen Kirche (BEK), die eigene Küchen betreiben. Bald soll damit Schluss sein.

Das Geld reicht nicht und sparen will die Kirche, indem die eigens gebauten Küchen in den Kirchenkitas fortan kalt bleiben: Externe Caterer sollen dann die Versorgung übernehmen. Das habe die Bildungssenatorin der Kirche so empfohlen, sagt die Kirche, und das hat der Kirchenausschuss der BEK vergangene Woche beschlossen.

Die evangelische Kirche ist in Bremen der größte freie Träger für Kindertagesstätten. Ihren 65 Einrichtungen für rund 4.500 Kinder fehlen in diesem Jahr 660.000 Euro. Von den 1.500 Beschäftigten arbeiten 150 in den Küchen und sehen sich jetzt vor dem baldigen Jobverlust, auch wenn, so die BEK, „noch keinerlei Kündigungen ausgesprochen“ worden seien.

Tatsächlich ist die frische Verpflegung eine Art Luxus: Andere Bundesländer leisten sie nur selten, Catering ist Standard. Doch in Bremen hatte man sich 2018 besonders gesunde und nachhaltige Kita-Ernährung auf die Fahnen geschrieben. Vor Ort gekochtes Essen verliert keine Nährstoffe beim Aufwärmen. Auch besondere Ernährungspläne von Kindern können unkompliziert berücksichtigt werden; und besonders wichtig: Die Frischeküchen sollen in den Kita-Alltag eingebaut sein. Das heißt, die Kinder bekommen mit, dass frisch gekocht wird, durch Fenster in den Küchentüren können sie beobachten, wie ein frischer Fisch geschuppt wird, oder dass leckere Kartoffelpuffer wirklich aus diesen dicken Knollen entstehen.

Dennoch: Auch in Zukunft wird es warmes Mittagessen geben, in allen Bremer Kitas. So gesehen ein Luxusproblem – das bei Eltern für viel Ärger sorgt. Erstmals seit zehn Jahren soll zum neuen Kitajahr hin ihr Beitrag zur Verpflegung erhöht werden – von 35 auf 45 Euro monatlich. Zeitgleich soll das Frühstück wegfallen und das Mittagessen nicht mehr frisch gekocht werden.

Das Grummeln darüber ist längst laut geworden: Mehr als 6.000 Menschen haben mittlerweile eine Petition unterschrieben, mit der Kathrin Adler als Mutter eines Kitakindes den Erhalt der Frischeküchen fordert. Am Dienstag wird demonstriert – am Nachmittag, damit auch die Beschäftigten mitmachen können: Mitarbeitende bei Kirchen haben kein Streikrecht.

Matthias Dembski von der Mitarbeitenden-Vertretung wird dabei sein. Große Hoffnungen macht er sich nicht. Besonders schockiert ist er über die schlechte Informationspolitik – und die plötzliche Entscheidung. Vor allem für die etwa 50 Kö­ch*in­nen im Küchenpersonal, manche von ihnen seit 25 Jahren in der gleichen Einrichtung, sei das eine existenzbedrohende Situation. „Ich habe selten so viel weinende Menschen am Telefon gehabt wie in den letzten Wochen“, sagt Dembski

Umstritten ist, wer wann hätte wissen müssen, dass das Geld nicht reicht – und wer für die Finanzierungslücke die Verantwortung trägt. Die Kirche selbst hat die Lücke Anfang März öffentlich als eine böse Überraschung der Bildungsbehörde dargestellt: Wie jeder Kita-Anbieter bekommt auch die BEK von der Stadt eine Pauschale für Personal-, Energie- und Lebensmittelkosten. 5,10 Euro beträgt die derzeit pro Mittagessen.

Gereicht habe das nie, schreibt die BEK; bisher aber habe es immer einen Zuschuss der Stadt gegeben, „um den Verlust für die BEK zu verringern“. Höhere Personalkosten seien zusätzlich beantragt und anerkannt worden – zumindest zum Teil. 2025 sei „ziemlich plötzlich“ Schluss damit gewesen, erzählt Carsten Schlepper, Leiter des Landesverbandes Evangelische Kindertagesstätten. Im November habe man von der Senatorin erfahren, dass es dieses Jahr kein Geld geben werde. Da war der Haushalt bei der BEK für 2025 längst geplant.

Die Kürzung erfolge nicht ohne Grund: Zum einen ist das Geld im Bremer Haushalt ohnehin knapp, man spart, wo man kann – vor allem aber, das erklärt Schlepper, sei der Behörde plötzlich aufgefallen, dass die Zuwendungen nicht rechtens waren. Es hätte sie niemals geben dürfen.

Ausgerechnet in diesem Jahr waren es mehr als die üblichen rund 100.000 Euro – wegen des hohen Tarifabschlusses im Tarifvertrag der Länder gehe es um rund 400.000 Euro. Prinzipiell, meint Schlepper, könne man das wohl nicht ändern – die Rechtslage sei klar. Aber: „Wir hatten das Geld fest eingeplant“, so Schlepper. Die Stadt sei unzuverlässig, wenn sie es von einem Moment auf den anderen kürze.

Die jahrelangen Zuwendungen der Stadt für Mittagessen waren nicht rechtens

Die Stadt stellt das anders dar. Auch auf explizite Nachfrage bleibt die Behörde dabei: Es habe keinerlei überraschende Kürzungen gegeben. Im Gegenteil: 2023 sei die Sachkostenpauschale fürs Mittagessen für alle Kitaträger um zwölf Prozent angehoben worden. Irgendwelche Zuschüsse über die Pauschale für das Mittagessen hinaus habe die Evangelische Kirche nie erhalten, so die Sprecherin.

Die BEK hat eine Klage beim Verwaltungsgericht eingelegt, um für die kurzfristige Ankündigung eine Art Schadensersatz zu bekommen. Wie auch immer dieser Rechtsstreit ausgeht: Auf die Zukunft der Kitaküchen hat er keinen großen Einfluss. Die Stadt wird künftig keine Zuschüsse zahlen, die Kirche will die Finanzierungslücke nicht schließen. Insgesamt geht es für die BEK 2025 laut Schlepper um 1,25 Millionen Euro. Angesichts der Finanzlage der Kirche, die jedes Jahr Mitglieder verliert, sei das nicht mehr zu stemmen.

Kathrin Adler hofft, dass irgendeine Seite sich doch noch einen Ruck gibt. Mit ihrer Demo will sie für den langfristigen Erhalt der Kitaküchen mobilisieren. „Wer auch immer das dann zahlt. Wir richten uns an alle Beteiligten.“

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