: Fernwärme doppelt benachteiligt
Wer mit Energie aus dem Netz heizt, zahlt viel und ist auf Monopolisten angewiesen. Hilft ein Preisdeckel?
Von Hannes Koch
Auch mit der neuen Bundesregierung stehen viele Immobilienbesitzer:innen vor der Heizungsfrage. Sollen sie weiterhin auf Öl und Gas setzen oder zu Fernwärme, Wärmepumpe und Ökostrom wechseln? Vor diesem Hintergrund bemängeln die Verbraucherzentralen die teils zu hohen Kosten für Fernwärme und fordern eine bessere Regulierung dieser Heizenergie – was der Verband der Fernwärmefirmen wiederum ablehnt.
In gut jedem vierten Fernwärmenetz in Deutschland bezahlen die Privathaushalte – meistens Mietende, aber auch viele Eigentümer:innen – 20 Cent pro Kilowattstunde und mehr. In etwa 10 Prozent der Netze liege der Preis pro Kilowattstunde Heizenergie gar bei 25 Cent oder darüber. Diese Zahlen stammen aus der aktuellen Auswertung von 576 Wärmenetzen durch den Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv).
Der mittlere Wert beträgt 17 Cent. Nicht zuletzt kritisiert der Verband die großen Unterschiede zwischen den Netzen: „Verbraucher:innen in einem typischen Mehrfamilienhaus zahlen bei einem Preis von 25 Cent im Vergleich zum Medianwert jährlich knapp 770 Euro mehr.“
Erdgas ist deutlich günstiger. Laut dem Vergleichsportal Verivox kostet die Kilowattstunde aktuell durchschnittlich etwa 12 Cent, wobei dieser Preis in den kommenden Jahren steigen dürfte. Schließlich schlägt hier die immer teurere Kohlendioxidbepreisung zu Buche. Eine Kilowattstunde Strom für Wärmepumpen kostet um die 27 Cent, wobei daraus aber etwa drei Kilowattstunden Heizenergie entstehen.
Neben den höheren Kosten gibt es einen weiteren Nachteil: Fernwärmekunden haben keine Möglichkeit, einfach den Anbieter zu wechseln. Es gibt in der Regel nur einen lokalen oder regionalen Monopollieferanten. Überregionaler Wechsel funktioniert ebenfalls nicht, weil die einzelnen Netze nicht zusammenhängen. Außerdem gibt es bislang bei der Fernwärme keine Trennung von Netz und Verkauf. Wer also Heizwärme aus dieser Quelle bezieht, ist dem einzigen Anbieter und seinem Preis ausgeliefert.
Florian Munder, vzbv
Trotzdem sollen die Fernwärmenetze zumindest nach bisherigem politischen Willen künftig deutlich mehr Haushalte mit klimafreundlicher Heizwärme versorgen. Heute sind es etwa 15 Prozent aller Wohnungen, hauptsächlich in Städten im Osten und Norden der Republik. Laut dem Gebäudeenergiegesetz der Ampel-Regierung müssen große Städte bis 2026, kleine bis 2028 eine Wärmeplanung vorlegen, damit die Immobilieneigentümer wissen, ob sie später mit klimaneutraler Fernwärme rechnen können oder sich selbst um eine ökologische Heizung kümmern sollten, die Öl- oder Gasbrenner ersetzt.
Im Hinblick darauf sagt vzbv-Energie-Experte Florian Munder: „Wärmenetze müssen endlich verbraucherfreundlicher werden.“ Der Verband schlägt vor, dass eine Regulierungsbehörde – etwa die Bundesnetzagentur oder das Bundeskartellamt – eine Preisobergrenze festlegt, die die Fernwärmefirmen nicht überschreiten dürften. Sie sollten zudem eine staatliche Förderung in ähnlicher Höhe erhalten, wie sie Wärmepumpen zugutekommt. „Ein Preisdeckel und eine verbesserte Transparenz sind absolut sinnvoll“, stimmt Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zu.
„Die Forderung der Verbraucherzentrale nach einer Preisregulierung gefährdet den politisch gewollten Ausbau der Wärmenetze und ganz konkret das Erreichen der Klimaziele in Deutschland“, betont dagegen der Verband der Fernwärmefirmen (AGFV). Denn „die Wärmewende erfordert immense Investitionen und andere, in der Regel teurere, Brennstoffe und Technologien“. Auch der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) betrachte den Vorschlag der Verbraucherzentralen kritisch: „Die Missbrauchsaufsicht durch die Kartellämter hat sich bewährt.“ Eine „starre Preisobergrenze“ lehne die Branche ab.
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