: Angriff auf die Menschenwürde
Hunderte Menschen zeigen Solidarität mit Monir Khan und seiner Familie in Baumschulenweg. Der Mann der dortigen Pfarrerin war Opfer eines Überfalls geworden, die Familie vermutet ein rechtes Tatmotiv
Von Marina Mai
Am Sonntagabend kamen rund 500 Menschen auf dem Platz vor der Evangelischen Kirche in Baumschulenweg zu einer Kundgebung zusammen. Der Veranstalter, das bezirkliche Bündnis für Demokratie und Toleranz, hatte nur mit 50 Teilnehmern gerechnet. Anlass war der brutale Angriff eine Woche zuvor auf Monir Khan, einen Betriebswirt aus Bangladesch.
Der Ehemann von Pfarrerin Carmen Khan kam in der Nacht von seiner Arbeit bei der Deutschen Bahn nach Hause und wurde vor dem Eingang zum Gemeindehaus von mehreren Unbekannten ohne Vorwarnung brutal zusammengeschlagen. Nun liegt er mit einem Nasenbeinbruch sowie Prellungen und Platzwunden im Krankenhaus. Khan und seine Frau vermuten ein rechtes Tatmotiv.
Die Familie wohnt erst seit September in Baumschulenweg. Carmen Khan sagte dem Tagesspiegel, ihr Mann habe sich schon zuvor am neuen Wohnort unsicher gefühlt. Kurz vor dem brutalen Angriff gab es auf dem Kirchenvorplatz einen Polizeieinsatz gegen eine Gruppe pöbelnder Männer, ihre Personalien wurden festgestellt. Immerhin ein Ermittlungsansatz, sagte auf der Kundgebung der linke Bezirkschef Moritz Warnke, der eine rasche Aufklärung des Falls forderte. Laut Auskunft einer Polizeisprecherin werden die Ermittlungen vom Polizeilichen Staatsschutz geführt. Allerdings lägen nach derzeitigem Ermittlungsstand keine Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Straftat vor.
Zur Kundgebung hatten das bezirkliche Bündnis für Demokratie und Toleranz sowie der Evangelische Kirchenkreis aufgerufen. Gekommen waren viele Menschen aus der Nachbarschaft, um ihre Solidarität mit der Familie auszudrücken, aber auch Vertreter von SPD, Grünen und Linken – nur die Partei mit dem C im Namen fehlte. Dabei war eigens Bischof Christian Stäblein nach Baumschulenweg gekommen.
Er versicherte der Familie die Solidarität seiner Kirche. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO) für sie stark macht. 2011 wurde Carmen Khan in ihrer Heimat Württemberg fristlos aus dem Kirchendienst entlassen. Ihr Vergehen: Sie hatte mit Monir Khan einen Muslim geheiratet.
Das verstieß gegen die Regel im Kirchenrecht, wonach PfarrerInnen nur christliche PartnerInnen heiraten dürfen. Eigentlich lässt diese Regel Ausnahmen zu, doch das wollte die Württembergische Kirche nicht gelten lassen. Die EKBO bot der Familie ein neues Zuhause an: Carmen Khan durfte in Berlin ihr begonnenes Vikariat fortsetzen. Danach hatte sie mehrere befristete Stellen als Pfarrerin inne, unter anderem in der Kreuzberger Flüchtlingskirche.
Die Stelle in Baumschulenweg ist ihre erste unbefristete. „Ich freue mich sehr, mit dem Jahr 2024 in Baumschulenweg anzukommen. Es ist gut, dass ich nicht mehr auf der Durchreise bin“, sagte sie letzten Herbst in ihrer Eröffnungsrede in der neuen Gemeinde. Doch gilt das auch noch nach dem brutalen Angriff auf ihren Mann?
Eine Nachbarin äußerte sich auf der Kundgebung betroffen, dass die Familie sich nicht mehr sicher fühlt und einen Umzug erwägt. Sie machte Vorschläge: Der Platz vor der Kirche, immerhin ein zentraler Platz im Ortsteil, müsse sich wieder „mit unserem Leben“ füllen. Derzeit halten sich dort vermehrt junge Menschen auf, die von AnwohnerInnen der rechten Szene zugeordnet werden. An die erschienenen PolitikerInnen appellierte sie, das mit Genehmigungen und Projektgeldern zu ermöglichen.
Lars Düsterhöft vom bezirklichen Bündnis für Demokratie und Toleranz sagt der taz, bisher sei es noch eine Vermutung, dass sich Baumschulenweg zum Treffpunkt der rechten Szene entwickelt habe – da müsse Aufklärung geleistet werden. Eine grüne Politikerin führte aus, dass sich rechte Vorfälle in Treptow-Köpenick 2024 im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt hätten, darunter seien auch Gewalttaten.
Für den SPD-Abgeordneten Düsterhöft ist der Angriff auf Monir Khan „ein Angriff auf unser Zusammenleben, darauf, dass jede und jeder hier leben kann unabhängig von Herkunft und Religion“. Er warnte davor, den Angriff als Einzelfall zu verharmlosen.
Superintendent Hans-Georg Furian sagte, die unverletzliche Würde von Monir Khan sei angegriffen worden. „Das lassen wir nicht zu. Wir lassen auch nicht zu, dass man einen Keil treibt zwischen diejenigen, die für die völkischen Nationalisten hierher gehören und die, die für sie nicht hierher gehören.“
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