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Archiv-Artikel

Hitler, untot und überall

Deutschland (3) – die wöchentliche Kolumne aus der Republik von Henning Kober. Heute: Die Vergangenheit

Vor kurzem in New York: Ich saß mit einem Fotografen und Clubmanager – überlebende Party-Prominenz der späten Siebziger – im Chelsea Hotel. Er wollte über Berlin sprechen. Im Sommer soll ihn seine erste Reise dorthin führen, „mich, den jüdischen Jungen“. Er hatte gerade „Den Untergang“ gesehen. Und verstanden. Bruno Ganz ist ihm ein herausragender Schauspieler. Bernd Eichinger kennt er nicht. Ich will Hitler als Mensch nicht sehen. Mir reichte „Im Toten Winkel“, das Interview mit Traudl Junge, auf dem der Film ja basiert. Auch „Speer und Er“ oder andere Altherren-Themen interessieren mich nicht. Hier ist ja nicht Amerika, wo die derzeit heißeste Droge, Crystal Meth, das angeblich auch Hitler und Göring angefixt haben soll, als „Hitler Tina“ glamourisiert wird. Auch sieht man hier keine Mädchen wie im East Village, die Rastas auf dem Kopf und Hakenkreuz über den Brüsten tragen, stolz auf ihre Hässlichkeit.

Aber dann passiert so etwas wie letzten Sonntag. Ich eile aus der Wohnung, es sind nur noch wenige Minuten für den Zug zum Flug. Auf dem Alex stehen tausende Polizisten, sollen die Nazis lenken. Aber dem trainierten Sachsen macht es jetzt erst mal Spaß, „Taschenkontrolle“, durch meine Wäsche zu wühlen. Nachdem ich am Tag zuvor den Flug bereits verpasste, reicht es doch noch knapp nach Krakau. Dort weiß-rote Fahnen zum Tag der Befreiung, aber auf dem Marktplatz auch groß im Wind und erster Reihe: die Fahnen der Deutschen Bank. Komisch und schrecklich sieht das aus.

Durch die Stadt gehen alle zu Fuß. Seit dem Mittelalter wurde Krakau nicht mehr zerstört, die Küche steht angenehm unter österreichischem Einfluss. Weg vom schick renovierten Marktplatz, wo englische Jungs im Lacoste-Store kaufen, wird es schnell auch ganz Wien. Dann kommt man durch staubige Straßen. An der Ecke steht ein schwindsüchtiger Speed-Schüler und malt sein Bild an die Wand. Es dauert nicht lange, dann sprechen wir wieder über Hitler.