: Am grünen Lack kratzen
SEIN UND SCHEIN Wann ist ein Projekt „nachhaltig“, „ökologisch“ oder „ethisch“? Die Begriffe sind nicht geschützt. Die Experten legen unterschiedliche Maßstäbe zur Beurteilung an
■ Fonds, die mit Auschlusskriterien arbeiten, schließen besonders umweltschädliche oder unsoziale Branchen von vornherein aus. Das können einerseits die Atombranche und die Ölindustrie sein, anderseits Kinderarbeit oder Rüstungsindustrie. Solche Ausschlusskriterien funktionieren nach simplem Schwarz-Weiß-Schema.
■ Positivmerkmale hingegen ermöglichen eine feinere Betrachtung: Es gibt Punkte für vorbildliche Umweltleistungen und Punktabzüge für umweltschädliche Praktiken. Das Endergebnis liefert ein detaillierteres Bild.
■ Das Prinzip Best-in-Class findet sich ebenfalls bei Ökofonds. Hier ist nicht die Branche entscheidend, sondern wer, wo am besten arbeitet. Stiftung Warentest fand 2008 in vielen Ökofonds Aktien aus der Automobilindustrie und der Luftfahrt. So wurde Lufthansa „Nachhaltigkeit“ attestiert, weil die Fluggesellschaft, ihre Maschinen besser auslastet als andere. Auch der französische Ölkonzern Total tauchte im Portfolio eines „Öko“-Fonds auf: weil der Konzern „saubere“ Treibstoffe entwickelt. Bei solchen Auswahlkriterien ist ein genauer Blick vonnöten. (lk)
VON TILMAN VON ROHDEN
Toyota ist mit dem Modell Prius Vorreiter im Umweltschutz. RWE setzt sich massiv für die Verringerung von CO2-Emissionen ein. Die Deutsche Bank redet am liebsten von Nachhaltigkeit und preist ihre anwachsende Flut von Sustainability-Fonds. Die Deutsche Börse in Frankfurt ist spätestens seit der Einführung des Öko-DAX ein vorbildliches Unternehmen. Es scheint nur noch grüne Unternehmen zu geben, die uns mit ihren Erzeugnissen und Dienstleistungen eine bessere (grüne) Welt schenken.
„Manches beruht auf Greenwashing“, sagt Jörg Weber, Chefredakteur und Betreiber der Webseite Ecoreporter.de und Veranstalter der jährlichen Anlegermesse „Grünes Geld“. Er sagt aber auch: „Finanzprodukte sind abstrakte Papiere, die oft schwer zu durchschauen sind. Insofern ist Greenwashing ein komplexes Phänomen.“ Vieles hänge von den eigenen Bewertungskriterien ab. Grünfärberei liegt seiner Meinung nach immer dann vor, wenn Fakten verschwiegen würden, eine Transparenz in notwendigem Maße nicht hergestellt werde. Erschwerend sei, dass mittlerweile alle gut geführten konventionellen Unternehmen ihre Aktivitäten mit einer Vielzahl von Nachhaltigkeitszertifikaten, ausgestellt von unabhängigen Zertifizierern, aufwerten würden. „Dieses Spiel ist im Einzelfall schwer zu durchschauen. Das Thema ist diffus.“
Weber resümiert: „Würde man den Strauß der rund 300 in Deutschland gehandelten offenen grünen Aktienfonds einmal kräftig durchschütteln, würden 30 bis 40 Prozent welke Blumen herausfallen.“ Der Finanzberater für nachhaltige Geldanlagen, Ingo Scheulen, spricht vielen Kapitalanlagen den Aspekt Nachhaltigkeit rundheraus ab. „Mit Plausibilitätskontrollen und Einzelfallprüfungen kommt man Greenwashing immer auf die Spur. Denn der Markt für grüne Anlagen funktioniert und schafft eine Transparenz, die entlarvend wirkt.“ Sein Kriterium für Greenwashing: „Entscheidend ist die Substanz, also was in einer Geldanlage wirklich drinsteckt.“ Rapsanbau in Monokultur könne also kein nachhaltiges Investment sein.
Greenwashing beruht oft auf einem Missverständnis: Dass nachhaltige Geldanlagen immer in unbedenklichen Techniken wie Wind- und Sonnenenergie investiert sind und nicht in kontroversen Techniken wie Atom- oder Kohlekraftwerken. Die Initiatoren vieler nachhaltiger Investments denken jedoch breiter. Sie unterscheiden nicht nach gut oder schlecht, gefährlich oder unbedenklich, sondern propagieren: Wir wollen von allem nur das Beste: die besten Erzeuger von Windkraft wie auch die effizientesten Betreiber von Atomkraftwerken. Dieser Best-in-Class-Ansatz ist ein Türöffner für viele Unternehmen und kontroverse Techniken. Als Konsequenz unterscheidet Max Deml, Autor des Handbuchs „Grünes Geld“, zwischen tiefgrünen Anlagen, die ein puristisches Nachhaltigkeitskonzept verfolgen, und hellgrünen Geldanlagen. Greenwashing fange aber nicht schon bei hellgrünen Geldanlagen an. Auch das Prinzip Best-in-Class rechtfertige nicht unbedingt den Vorwurf von Grünfärberei. „Greenwashing beginnt dort, wo konventionelle Geldanlagen durch Verschweigen, Irreführung oder Lüge zu einer angeblich grünen Geldanlage deklariert werden“, so Deml.
Greenwashing sei aber ebenso ein Phänomen unter grünen Geldanlegern: Wenn diese in erster Linie nur ihr vorgeblich grünes Gewissen beruhigen wollten, statt eine Geldanlage zu prüfen, wenn sie sich auf bloße Versprechungen verließen, statt nachzufragen, wenn sie eine fragwürdige Geldanlage aus Bequemlichkeit akzeptierten.
Dietrich Wild untersucht Unternehmen im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit. Er arbeitet für Oekom Research, einer Ratingagentur, die Unternehmen, Branchen und Länder nach ökologischen und sozialen Kriterien bewertet. Zu den bewerteten Aspekten zählt unter anderem das Angebot an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten. „Natürlich unterscheiden sich Anlageprodukte im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit des Nachhaltigkeitsansatzes. Dies gilt auch für die Nachhaltigkeitskonzepte selbst“, so Dietrich Wild. „Von Greenwashing kann man nur in wenigen Fällen sprechen. Denn was eine nachhaltige Anlage ist, entscheidet nicht zuletzt der Investor beziehungsweise der Anleger selbst.“
Oekom Research bewertet deshalb nicht die Qualität einzelner Anlageprodukte, sondern die Richtlinien und Maßnahmen der Unternehmen, um soziale und umweltbezogene Kriterien in die Kapitalanlage zu integrieren. Auch die Transparenz über die Kriterien und die Zusammensetzung nachhaltiger Anlageprodukte sei ein wichtiges Thema. „Sie ist Voraussetzung dafür, dass der Anleger Schummelpackungen identifizieren kann“, so Wild.