DIE DREI FRAGEZEICHEN : „Wachgeküsster Salonlinker“
WIE GEHT DAS DENN? Schriftsteller Feridun Zaimoglu hat für Vattenfall gelesen – und liest im April in Hamburg gegen Atomstrom
taz: Herr Zaimoglu, Sie lesen in Hamburg bei „Lesen-ohne-Atomstrom“. Sie waren aber auch schon bei den Lesetagen dabei, die vom Atomkonzern Vattenfall gesponsert werden. Erst Saulus, jetzt Paulus?
Feridun Zaimoglu: Sie sind ja gut – die Frage stellen Sie einem Heiden-Muslim. Aber gut. Ich habe schon gesagt, dass ich überhaupt nicht gewillt bin, in dieser Sache eine heroische Pose einzunehmen. Ich habe zweimal darauf hingewiesen, dass ich an den Vattenfall-Lesetagen in Hamburg teilgenommen habe und den Kolleginnen und Kollegen, die daran teilgenommen haben, meinen Respekt gezollt. Es schickt sich weder für mich noch für andere, uns als die Besseren hinzustellen. Das Problem ist ein anderes. Es kann nicht sein, dass der Staat immer weniger Geld für Kultur zur Verfügung stellt und sich die Kulturarbeiter dann sinnvolle bis sinnlose Gefechte auf einem Feld liefern, auf dem die Privatsponsoren Kultur am Leben erhalten. Wenn die Vattenfall-Lesetage wegfallen, ist Hamburg um ein großes Kulturevent ärmer – und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stadt Hamburg da einspringt.
Wäre es da nicht konsequent gewesen, bei beiden Lesungen mitzumachen?
Da komme ich als wachgeküsster Salonlinker ins Spiel. Man möge mir mein Erweckungserlebnis zur späten Stunde gönnen. Beide Veranstaltungen können nebeneinander laufen, aber es bleibt Fakt, dass Atomstrom scheiße ist. Bei der Reihe, bei der ich mitmache, ist niemand selbstgerecht, man findet nur, dass es gestattet sein sollte, so etwas laufen zu lassen. Für die Teilnehmer bedeutet das einen ordentlichen Verdienstausfall, wir machen das für lau.
Wie hoch ist der Ausfall?
Das verrate ich nicht. Das wäre gegenüber den Kolleginnen und Kollegen nicht gerecht, da wird man ungewollt moralisch. Aber meine Steuererklärung können Sie gern haben.INTERVIEW: FRIEDERIKE GRÄFF
Der türkischstämmische Autor Feridun Zaimoglu lebt in Kiel. Wurde berühmt mit „Kanak Sprak“. Sein neuester Roman heißt „Ruß“. Die Lesen-ohne-Atomstrom-Tage dauern vom 10. bis 18. April. Mehr: www.lesen-ohne-atomstrom.de