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Archiv-Artikel

Schokolade in der Kippe

Das liest sich wie die Zutatenliste für einen Kuchen: Ab heute kann jeder nachlesen, was die Konzerne in den Tabak mischen

VON PHILIPP DUDEK

Welche Zutaten in Lebensmitteln enthalten sind, lässt sich auf jeder Packung nachlesen. Selbst im Müsli sind nicht immer nur Rosinen und Haferflocken, sondern manchmal auch Magermilchpulver und Eisen. Verbraucher, die wirklich wissen wollen, was sie da Tag für Tag essen, können sich informieren. Seit gestern können auch Raucher nachlesen, was sie Tag für Tag inhalieren. „Es gilt die Maxime: Wissen, was drin ist“, sagte Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne), als sie in Berlin eine Liste mit Tabak-Zusatzstoffen vorlegte.

„Als erstes europäisches Land, schaffen wir Transparenz über die Zusatzstoffe“, sagte Künast. Der Tabak von mehr als 4.000 Zigaretten-, Zigarren- und Zigarillomarken ist in der Liste aufgeführt. Nicht alle Stoffe sind zunächst gesundheitsschädlich. Das liest sich zum Teil wie die Zutatenliste für einen Geburtstagskuchen: So haben einige Hersteller Zucker, Rum, Schokolade und Lakritze in den Tabak gemischt.

Für Künast ist klar, dass diese Stoffe das Inhalieren von Zigarettenrauch erleichtern oder die Einstiegsschwelle herabsetzen sollen. „Es ist anzunehmen, dass diese Stoffe die Sucht fördern sollen“, sagte Künast. Offenbar solle der beißende Tabakrauch schmackhafter gemacht werden. „Falls sich später einige Stoffe tatsächlich als suchtfördernd herausstellen, ist nicht auszuschließen, dass man die auch gesetzlich verbieten könnte“, sagte die Ministerin.

Zunächst aber wird im Verbraucherschutzministerium nicht das Suchtpotenzial, sondern die mögliche Gesundheitsgefährdung untersucht, die von den Zusätzen ausgehen könnte. Viele der Stoffe seien in Lebensmitteln erlaubt, jetzt müsse zunächst geklärt werden, was passiert, wenn diese Stoffe verbrannt und inhaliert werden, sagte Künast. Wie lange diese Untersuchungen dauern, sei derzeit nicht absehbar.

„Mit der Liste soll keineswegs der Eindruck erweckt werden, dass das Rauchen von Zigaretten mit besonders wenig Zusatzstoffen weniger gesundheitsschädlich wäre“, sagte Künast. Man wolle aber dem Verbraucher nicht das Recht vorenthalten, selbst zu entscheiden, welche Zusatzstoffe er inhalieren will. „Wir wollen die Liste nicht einfach für uns behalten“, so die Ministerin. Dabei ist die Zutatenliste keine Geheiminformation. Bereits seit 1977 müssen Tabakhersteller die Zusatzstoffe ihrer Tabakwaren an die zuständigen Behörden melden. Neu ist nur die Veröffentlichung – damit setzt das Verbraucherschutzministerium eine EU-Richtlinie von 2001 um.

Im Kampf gegen die schädlichen und süchtig machende Zusatzstoffe setzt Künast deshalb auch erst einmal auf europäische Unterstützung. „Ich werde dafür sorgen, dass wir uns die Arbeit teilen. Die Mitgliedsstaaten sollten sich an der Untersuchung der einzelnen Stoffe beteiligen“, sagte die Ministerin. Anschließend soll dann auch über ein EU-weites Verbot bestimmter Stoffe entschieden werden. Die Liste aller Zusatzstoffe findet sich bis dahin unter www.verbraucherministerium.de.