: Olympisches Ringen
Am 20. März wird der mächtigste Posten in der Sportwelt vergeben. Wer tritt die Nachfolge von IOC-Präsident Thomas Bach an? Es gibt sechs Kandidaten und eine Kandidatin und viele drängende Probleme, die es zu lösen gilt
Von Johannes Kopp und Martin Krauss
Die Wahl
Vielleicht ist es der sakralen Neigung des olympischen Sports geschuldet, weshalb die Wahl seines Oberhaupts in etwa so undurchsichtig angelegt ist wie eine Papstwahl. Bestimmt wird dieses nach der auslaufenden Amtszeit von Thomas Bach am 20. März im Geburtsland der Olympischen Spiele, genauer im griechischen Costa Navarino – hinter verschlossenen Türen. Gewählt werden darf nur, wer bereits Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees ist, von ebendiesem Gremium, dem 111 Menschen angehören. Ihre Vorstellungen durften die Bewerber den IOC-Kollegen nur in einer auf 15 Minuten und 30 Sekunden begrenzten Präsentation vorstellen. Nachfragen waren nicht vorgesehen – vermutlich um Irritationen zu vermeiden. Jenseits dieser einmaligen Gelegenheit ist es den Kandidaten strengstens untersagt, für sich und ihr Programm auf öffentlichen Versammlungen zu werben, auch Wahlvideos sind verboten. Inhaltliche Auseinandersetzungen sind also unerwünscht, der Hinterzimmerpolitik Tür und Tor geöffnet. Das verlangen die Vorschriften der olympischen Charta und des Ethikkodexes. Es gibt Berichte, nach denen Bach IOC-Mitglieder unter Druck gesetzt haben soll, die von ihm favorisierte Kandidatin Kirsty Coventry zu unterstützen. Wer würde nicht ein wenig Dankbarkeit für frühere Gefälligkeiten erwarten? Bösartig wäre es freilich, aus der Skepsis der IOC-Spitze gegenüber demokratischen Prozessen gleich eine Wesensverwandtschaft mit autoritären Systemen abzuleiten. Jede und jeder hat doch die Wahl.
Die Kandidaten
Das IOC-Wahlvolk kann sich zwischen sieben Alternativen entscheiden. Drei Namen werden hoch gehandelt: Sebastian Coe, Kirsty Coventry und Juan Antonio Samaranch junior. Wollte man sich diese Führungselite schöntrinken, könnte das Ergebnis sein: Der Leichtathletik-Olympiasieger Coe weiß nicht nur, für wen er künftig arbeitet, sondern hat sich bereits als Präsident des Leichtathletikweltverbands für finanzielle Teilhabe der Athletinnen und Athleten eingesetzt und sich als Olympia-Organisator in London verdient gemacht. Die Schwimm-Olympiasiegerin Coventry aus Simbabwe weiß nicht nur, für wen sie künftig arbeitet, sondern würde als erste Frau auf diesem Posten und jüngste Kandidatin (41) den Altherrenklub aufmischen. Und der Spanier Samaranch junior, nun ja, hat sich seit Kindesbeinen mit dem Laden vertraut gemacht, weil sein Papa zwischen 1980 und 2001 hier der Chef war. Wobei wir bei der Kehrseite wären. Samaranch senior stand für die radikale Kommerzialisierung des Sports, die Ausbeutung öffentlicher Haushalte und für Korruption. Der Banker Samaranch junior plant bereits mit neuem zwielichtigem Investorengeld. Coe will als einstiger Vize des Leichtathletikweltverbands nichts vom Korruptionssystem seines Chefs Lamine Diack mitbekommen haben. Und Coventry, Mitläuferin unter Thomas Bach, dient als Sport- und Kulturministerin der Regierung von Simbabwe, die in Sachen Demokratie, Pressefreiheit und Korruption besonders miserable Werte aufweist.
Der Alte
Thomas Bach heißt der nun abtretende IOC-Präsident, ist mit 71 Jahren durchaus im rentenfähigen Alter, aber weil er 1976 mit dem Florett Fechtolympiasieger wurde, gilt er auch als Mann des Sports. Ein Mann von und für dieses und jenes ist Bach ohnehin: Als „Direktor für Internationale Beziehungen“ wirkte er bei Adidas, was seine Funktionärskarriere deutlich beförderte. Ein paar mehr Konzerne beriet er auch noch: Philipp Holzmann AG, Siemens AG etc. Dann war Bach noch Präsident der Ghorfa, einer Handelskammer, die deutschen Firmen bescheinigt, keine Teile aus Israel zu verarbeiten – damit die dann in arabische Länder exportieren dürfen. Noch mehr Kritik kassierte Bach, weil ihm enge Beziehungen zum russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin nachgesagt werden. Nach der russischen Invasion 2022 in die Ukraine glaubte Bach, vor Diskriminierung von Sportlern aufgrund ihrer Herkunft warnen zu müssen. Seine langjährige politische Heimat FDP verließ er 2023, doch einen Zusammenhang mit der Kritik an seiner Haltung zu Russland wollte er darin nicht erkennen. Was er behielt, war ein ihm 1994 ausgehändigter Diplomatenpass der Bundesrepublik Deutschland – um „ein besonderes deutsches Interesse“ beim IOC zu verfolgen. Das verfolgte er: seit 1991 im IOC, ab 2006 als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und seit 2013 Präsident des IOC. Was bleibt, ist eine Gedenktafel an seinem früheren Wohnhaus am Sonnenplatz in Tübingen. Vielleicht gibt es ja mal eine Bachstraße.
Die Firma
Das IOC ist der wahr gewordene Traum jedes Kapitalisten. Es ist Monopolist in Sachen globales Multisportevent, ihm gehören die Olympischen Sommer- und Winterspiele. Zudem hält das IOC noch den Daumen auf etliche andere Sportereignisse. Im Zeitraum 2017 bis 2021 verbuchte das IOC etwa 7,6 Milliarden Dollar Einnahmen. Allein die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris verschafften dem Konzern einen Umsatz von 4,38 Milliarden Euro. Etwa 60 Prozent der Einnahmen werden durch den Verkauf der Fernsehrechte generiert, etwa 30 Prozent kommen von 15 exklusiven Topsponsoren. Das sind Konzerne wie Coca-Cola, Samsung oder Airbnb, die mit dem guten Image Olympias werben dürfen, und das IOC vertreibt für sie bei den Megaevents die Konkurrenz. Und weil Olympische Spiele eine derartige Aufmerksamkeit genießen, kann das IOC auch den ausrichtenden Städten einen Großteil der entstehenden Kosten aufbürden: Die öffentlichen Kassen zahlen und freuen sich an der Aufmerksamkeit. Aber, heißt es beim IOC, nur zehn Prozent der Einnahmen verblieben doch im eigenen Laden. Das heißt, dass die Gehälter des führenden IOC-Personals, die Rede ist von 21 Personen, im Jahr 2022 zusammen 12,47 Millionen US-Dollar ausmachten. Auch das luxuriöse Anwesen im schweizerischen Lausanne mit einem großen Olympischen Museum wird hiervon bestritten. Tolle Sache also, zumal das IOC als gemeinnützig gilt und weitgehende Steuerfreiheit genießt. Wie gesagt: ein traumhaftes Unternehmen.
Die Probleme
Das IOC hat’s auch nicht leicht. Die sportpolitischen Baustellen, die die IOC-Chefetage in den kommenden Jahren vorfindet, tragen zunächst die Namen Russland und USA. Nach der russischen Ukraine-Invasion 2022 wurden die Mannschaften Russlands und Belarus’ ausgeschlossen, teilnehmen dürfen nur „neutrale Athleten“, die den Krieg nicht aktiv unterstützen. Russland bemüht sich intensiv mit den Brics+-Staaten, also vor allem Brasilien, Indien, China und Südafrika, um eine Gegenolympiade, die das Monopol des IOC brechen sollen. Die „Brics+ Games“ haben ihre Anfänge 2016, werden aber massiv ausgebaut: 2024 fanden sie im russischen Kasan statt. Die USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump richten 2028 in Los Angeles die Olympischen Sommerspiele aus, und Trump kündigte an, trans Athlet*innen die Einreise zu verweigern. Das IOC duckt sich bislang weg. Immer stärker drängen Regime wie Saudi-Arabien oder Katar nach vorn, die mit Megaevents Sportswashing betreiben – was dem IOC keineswegs fremd ist –, die aber die Macht des IOC bedrohen. Zu den ganz großen Baustellen gehört auch des IOCs zweitgrößtes Vewertungsobjekt, die Olympischen Winterspiele. Durch die globale Erwärmung wird immer mehr mit künstlicher Schneeproduktion und dramatischen Eingriffen in die Natur operiert – mit ökologischen Folgen. Und auch die Sommerspiele sind herausgefordert, wenn Dauerhitze über 40 Grad Celsius bestimmte Outdoorsportarten verunmöglichen wird.
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