: Polizeireform geplatzt
In Bosnien verhindern serbische Hardliner mit Protesten vorerst die Bildung einer gesamtstaatlichen Polizei
SARAJEVO taz ■ Auf den T-Shirts prangten die Konterfeis der meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher in Bosnien und Herzegowina, Radovan Karadžic und Ratko Mladić. Am Dienstagabend demonstrierten 15.000 Menschen in Banja Luka, der Hauptstadt der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, für Karadžic und Mladić. „Wir verteidigen euch vor den Verfolgern“, skandierten sie. Und die Demonstranten zeigten damit, dass sie dem UN-Tribunal und der internationalen Gemeinschaft trotzen wollen.
Aktueller Anlass für die Demonstration war die Polizeireform, die die Europäische Union und die internationalen Institutionen fordern. In Zukunft soll es in ganz Bosnien eine einheitliche Polizei geben, um die Kriminalität besser bekämpfen zu können. Kriminelle nutzen bisher geschickt die Spielräume aus. Werden sie in der einen Teilrepublik verfolgt, können sie in der anderen untertauchen.
Doch hinter der Polizeireform steckt nach Ansicht der Demonstranten mehr. Wenn sich die Polizeistruktur nicht mehr an den Grenzen der Teilrepubliken orientieren soll, verlören die Teilrepubliken an Macht, befürchten sie. Damit bräche auch das von ihnen unterstützte Netzwerk für die Kriegsverbrecher in der Polizei und der Armee der serbischen Teilrepublik zusammen.
Karadžic fühlt sich offenbar so sicher, dass er sich in letzter Zeit mehrmals in der Öffentlichkeit sehen ließ. So bestätigte der Chef der föderalen Polizeiverwaltung, Zlatko Miletić, Karadžic sei am 7. April mit seiner Frau in einem Restaurant an der Straße Foca-Gacko in Südostbosnien gesehen worden. Er habe die Informationen an die Polizei der serbischen Teilrepublik weitergegeben, diese habe jedoch nicht reagiert. Der serbische Polizeichef dementierte, entsprechende Informationen erhalten zu haben.
Nach Informationen des britischen Guardian soll Karadžic im April zweimal gesehen worden sein. So soll er sich mit seinem Bruder in Belgrad getroffen haben. Quellen aus der Stadt Niksic in Montenegro wollen sogar wissen, der Gesuchte sei zur Beerdigung seiner Mutter am 7. Mai in seine Heimatstadt gereist.
Auch Ratko Mladić pendelt laut diplomatischen Kreisen in Sarajevo zwischen Serbien und dem serbischen Teilstaat in Bosnien. Im Januar hatten EU-Militärs nachgewiesen, dass sich Mladić mehrmals in den unterirdischen Militäranlagen bei Han Pijesak aufgehalten hat und die Armee Serbiens ihre schützende Hand über ihn hält. Bis 2002 bezog er offiziell seine Pension.
Käme es zur Polizeireform und zur Verschmelzung der drei Armeen wäre die Machtstruktur der Radikalen in der Republika Srpska gefährdet. Die internationale Gemeinschaft will die Institutionen des Gesamtstaates stärken, um Bosnien und Herzegowina eine Chance zu geben, sich langfristig in die EU zu integrieren. Vorerst hatten die Demonstrationen der Radikalen Erfolg. Die serbisch-bosnischen Politiker ließen das Projekt Polizeireform platzen. Wollen sie aber ihr Land in die EU führen, müssen sie an den Verhandlungstisch zurückkehren. ERICH RATHFELDER