: Ein altes grünes Ehepaar
Bärbel Höhn und Michael Vesper regieren seit 1995. Sie hatten drei Ministerpräsidenten, ihre Arbeitsteilung ist perfekt
KÖLN taz ■ Sie tritt kämpferisch auf wie eh und je. Und doch liegt eine gewisse Wehmut über dem Auftritt Bärbel Höhns am frühen Dienstagabend auf dem Kölner Rudolfplatz. Denn sie weiß, dies könnte einer ihrer letzten Auftritte sein, die sie noch als Landesumweltministerin absolvieren darf. „Das ist eine Richtungswahl, da geht es um sehr, sehr viel“, ruft die 53-jährige Grüne geradezu beschwörend. „CDU und FDP sind ein Risiko für unser Land“, warnt sie. Schwarz-Gelb wolle „die soziale Kälte in diesem Land“. Ob es noch etwas nützt?
Seit zehn Jahren gehört die 53-Jährige aus Oberhausen nun gemeinsam mit ihrem gleichaltrigen Parteifreund Michael Vesper der nordrhein-westfälischen Landesregierung an – eine bemerkenswerte Beständigkeit: Nicht nur dass kein Grüner bundesweit in der 25-jährigen Geschichte der Partei es über einen solchen Zeitraum auf einem Ministerposten ausgehalten hat, Vesper und Höhn sind auch noch die Dienstältesten am Düsseldorfer Kabinettstisch. Kein Sozialdemokrat amtiert so lange wie die beiden, für die Peer Steinbrück bereits der dritte SPD-Ministerpräsident ist, mit dem sie seit 1995 zusammenarbeiten.
Dabei ist die Euphorie der Anfangszeit längst verflogen. Als am 14. Mai 1995 feststand, dass die lange, lähmende Zeit der SPD-Alleinregierung zu Ende war und nun Rot-Grün auf der Tagesordnung stand, konnten die Grünen noch träumen. Vollmundig verkündete Höhn damals, nun stehe eine „Wende“ in der Landespolitik an. Sie täuschte sich, zu groß war das Beharrungsvermögen der Genossen, für die Ökologie nie mehr als ein Störfaktor darstellte. Aber auch die Genossen täuschten sich – besonders in der ungeliebten Höhn. Die schaffte es, sich trotz aller sozialdemokratischen Blockadepolitik den Ruf als profilierteste deutsche Umweltschützerin zu erwerben. Beinahe perfekt nutzte sie die Möglichkeiten, die ihr Ministerium bot. Ob Dioxin-, BSE-Skandal, Feinstaub oder Abfallpolitik, zielsicher setzte sie sich in Szene und bediente dabei nicht nur die grüne Klientel: „Die Hoffnung, linke Politik zu machen, habe ich immer dann, wenn mir Menschen im überfüllten Nahverkehrszug aufmunternd auf die Schulter klopfen und sagen: Weiter so!“
Ihre große Popularität beruht nicht zuletzt darauf, dass sie bis heute „authentisch“ wirkt. So lebt sie immer noch in einer Bergmannskolonie im Oberhausener Stadtteil Osterfeld. Hier begann auch das politische Engagement der gebürtigen Flensburgerin: Wenige Monate nachdem die Mathematikerin mit ihrer Familie von Schleswig-Holstein ins Ruhrgebiet gezogen war, bekam einer ihrer beiden Söhne eine schwere, dauerhafte Bronchitis durch die Luftbelastungen. Und Höhn begann, in einer Bürgerinitiative gegen eine zusätzlich geplante Sondermüllverbrennungsanlage in der traditionell sozialdemokratisch regierten Stadt zu kämpfen. 1985 trat sie den Grünen bei und zog noch im selben Jahr in den Oberhausener Rat ein. Von dort wechselte sie 1990 als Spitzenkandidatin in den Landtag und übernahm dort gemeinsam mit Vesper den Fraktionsvorsitz. Fünf Jahre später wurden die beiden Minister.
Vesper war über die Dritte-Welt-Arbeit zu den Grünen gestoßen und gehörte bereits 1979 zu den Gründungsmitgliedern des NRW-Landesverbandes. Als die Partei 1983 erstmals im Bundestag einzieht, wird er für sieben Jahre deren Fraktionsgeschäftsführer. „Schade, aber Hauptsach’, dä Jung is nit in der SPD“, kommentierte sein CDU-Vater damals sein grünes Engagement.
Bis heute arbeiten die „Linke“ Höhn und der aus einem klerikal-konservativen Elternhaus stammende „Realo“ Vesper, der zu den Gründungsmitgliedern der Grünen gehört, perfekt zusammen. Gemeinsam meisterten sie mit viel diplomatischem Geschick alle Koalitionskrisen – und davon gab es nicht wenig. Sie als die grüne „Mutter Courage“, er als derjenige, der die wutschnaubenden Genossen wieder beruhigte. Das war auch immer wieder nötig, denn eine Liebesbeziehung ist Rot-Grün in NRW bis heute nicht. So ist es denn auch immer noch Wunschdenken, wenn Höhn jetzt im Wahlkampf verkündet: „Wir haben es in dieser Landesregierung endlich geschafft, Arbeit und Umwelt zu versöhnen“.
Am Dienstagabend tritt nach ihr Joschka Fischer ans Mikrofon. „Es ist doch zu spüren: Das Ding ist zu drehen“, ruft er den mehreren hundert Menschen, die sich auf dem Platz in Köln versammelt haben, zu. Höhn klatscht heftig Beifall. Die Hoffnung stirbt zuletzt. „Für die Bärbel täte es mir leid, wenn Rot-Grün abgewählt würde“, sagt einer der Umstehenden mitleidig.