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Archiv-Artikel

Wie wir sterben wollen

TODESUMSTÄNDE Die Bürgerschaft beschließt in seltener Einmütigkeit die Unterstützung des Hospizausbaus. Buhmann sind die Krankenkassen

In Hannover oder auch in Ostfriesland sei die Versorgungssituation um ein Vielfaches besser

Jährlich sterben 7.500 Bremer. Acht von ihnen könnten gleichzeitig im landesweit einzigen Hospiz untergebracht werden, um dort unter würdigen Umständen den Tod zu erwarten. Bremerhavener haben diese Möglichkeit in ihrer Stadt gar nicht. Mit dieser dramatischen Unterversorgung beschäftigte sich gestern die Bürgerschaft.

Auch in Bremen-Stadt gibt es Bereiche, die komplett von Strukturen zur Sterbebegleitung abgeschnitten sind: Dazu zählt Bremen-Nord, wo sich die Ärzteschaft schon seit Längerem mit den Kassen um die Finanzierung ambulanter Palliativleistungen streitet. In der von bemerkenswerter Einmütigkeit geprägten Debatte prangerte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) „die Zahlungsmoral der Krankenkassen“ an. Selbst bei Bestehen aller medizinischen Genehmigungs-Voraussetzungen lehnten die Kassen die Finanzierung einer Hospizunterbringung oft ab. Angehörige und Betroffene müssten sich mit einer „Antrags-Odyssee“ herumplagen, dabei zähle in solchen Situationen „jede Minute Lebenszeit“.

Gemeinsam mit ihrer Bremerhavener Amtskollegin will Stahmann nun offensiv gegenüber den Kassen auftreten und auch den Landespflegeausschuss einbinden.

Natürlich wollen nicht alle Bremer in einem Hospiz sterben: Wo ambulante Hilfe möglich ist, soll sie nach Ansicht von Stahmann auch angenommen werden. Doch 2009 baten nach Angaben des Hospiz- und Palliativverbandes Bremen (HPV) 222 PatientInnen um eine Aufnahme ins Waller Hospiz, 99 von ihnen starben auf der Warteliste. Weitere Kapazitäten bietet das Klinikum Links der Weser mit acht Betten in der Palliativstation, die allerdings einen deutlich anderen Charakter als ein Hospiz hat. Sie ist ausdrücklich keine Einrichtung der Dauerpflege, die PatientInnen sind dort durchschnittlich nicht länger als zehn Tage. Anschließend wird eine schmerzmedizinische Beratung für diejenigen angeboten, deren Pflege im heimischen Umfeld geleistet werden kann. Derzeit sind das rund 150 Personen im Jahr.

„Wir werden weiterhin Druck machen, um die Situation zu verbessern“, verspricht der CDU-Abgeordnete Rainer Bensch, als diplomierter Pflegewirt mit der Situation vertraut. Der Einsatz der Chrisdemokraten für mehr Hospizplätze beinhalte auch die Ablehnung sowohl der aktiven Sterbehilfe als auch einer „künstlichen medizinischen Verzögerung des Todeszeitpunktes“.

Nun soll der Senat ein am demografischen Wandel orientiertes Konzept für die ambulante und stationäre Hospizpflege vorlegen. Das Sozialressort verhandelt bereits mit zwei potenziellen Trägern weiterer Hospizplätze. Senatorin Stahmann schränkt ein: „In Bremerhaven sind wir noch nicht vom Fleck gekommen.“ In Hannover oder auch in Ostfriesland sei die Versorgungssituation um ein Vielfaches besser.  HENNING BLEYL