: Das Problem mit dem Zehner
BAYERN MÜNCHEN Der Großklub hinkt auch nach dem 1:1-Unentschieden gegen Werder Bremen seinen eigenen Ansprüchen hinterher. Aber was hat das mit Schlüsselspieler Franck Ribéry zu tun?
AUS MÜNCHEN SEBASTIAN KRASS
Für einen Moment musste man Angst haben. Nicht schon wieder ein Eklat. Der Mitschnitt von Louis van Gaals Wutausbruch in einer Pressekonferenz Ende Juli hat es im Internet ja schon zu einiger Popularität gebracht. Damals hatte ein Journalist gefragt, warum Luca Toni im Test gegen den AC Mailand nicht dabei war. „Unglaublich“ fand der Trainer diese in der Tat blöde Frage – der Angreifer war verletzt. Van Gaal verlangt von seinen Mitmenschen, dass sie sich gut vorbereiten, bevor sie ihn behelligen. Nach dem 1:1 der Bayern gegen Werder Bremen wollte ein Reporter wissen, was er von der Leistung Franck Ribérys halte. Doch auch das passte van Gaal nicht: „Das ist ein Einzelspieler, ich werde die Mannschaft beurteilen, nicht einen Spieler. Das habe ich schon in meiner vorigen Pressekonferenz gesagt.“ Van Gaal hasst es, sich zu wiederholen. Aber diesmal fing der 58-Jährige sich.
Er sagte sogar ein paar Worte über Ribéry. Sie fielen nicht übermäßig freundlich aus. Klar, er sei „ein sehr guter Spieler, aber ihm fehlt der Rhythmus“, sprach van Gaal. „Er hatte eine sehr gute Aktion, aber auch viele Ballverluste.“ Die allgemeine Begeisterung beim FC Bayern über die Rückkehr des lange verletzten Wirbelwinds ließ den Trainer kalt.
Diese halbe Stunde, die Ribéry sich nach seiner Einwechslung auf dem Platz vergnügte, hatte schließlich genug neue Nahrung für die Zweifel geliefert, ob das ungleiche Gespann wirklich zueinanderfinden kann. Van Gaal hat den Franzosen ja vom linken Mittelfeld auf die neu geschaffene Planstelle des Zehners versetzt. Doch Ribéry scherte sich nur wenig um die Vorgaben. Er ließ sich allein von seinem Spieltrieb lenken. Van Gaal betont in diesen Tagen zwar, dass er Spielern „mit besonderer Qualität“ durchaus mehr Freiheiten zugestehe als dem Rest. Aber: „Trotzdem muss er im Rahmen unseres Systems spielen.“
Es wird die Hauptaufgabe des Trainers sein, diesen Widerspruch zwischen System- und Individualfußball zu moderieren. Zu überwinden dürfte er nicht sein, solange Ribéry seine Künste im Trikot des FC Bayern darbietet. Auch der in der Halbzeit für Klose eingewechselte Olic zeigte mit seiner drolligen Spielweise und den zwei vergebenen Großchancen, wie sehr Wohl und Wehe des Vereins noch immer von einzelnen Geistesblitzen abhängen. Es ist noch ein sehr weiter Weg, bis das Bayernspiel so umgebaut ist, dass es stabil auf vielen Säulen ruht.
Ob dieser Weg mit dem vorhandenen Personal überhaupt zu bewältigen ist, erscheint zweifelhaft. Van-Bommel-Ersatz Anatolij Timoschtschuk hielt sich so stur an seine Defensivaufgaben, als läge hinter der Mittellinie ein alles verschlingendes Hochmoor. Und einige der Offensivkräfte des numerisch üppig besetzten Mittelfelds stehen für die Art des Fußballs, die es zu überwinden gilt. In der Anfangsphase waren ein paar Ansätze von modernem Kombinationsspiel zu erkennen, doch die verpufften wirkungslos. Symbolträchtig für das Spiel der Bayern ohne Ribéry und Olic war eine Szene in der 43. Minute des Spiels gegen Bremen. Unverhofft eröffnete sich den Bayern eine Konterchance. Vier Münchner stürmten auf eine unsortierte Abwehr zu. Ribéry-Vertreter José Ernesto Sosa führte den Ball. Und er führte ihn so lang, bis die Dynamik der Situation endgültig erlahmt und die Chance verpufft war. Auch Bastian Schweinsteiger ist ja so ein Spielverlangsamer – was nur am Samstag nicht auffiel, weil er so unauffällig spielte, dass er gar nicht dazu kam, die Ballzirkulation zu bremsen.
Nun haben die Bayern zwei von sechs möglichen Punkten zu Buche stehen. Uli Hoeneß’ eine Woche alte Prophezeiung, dass man „bald oben wegmarschieren“ werde, wird sich so bald nicht erfüllen.