: Befangene Atommüll-Gutachter
Bundesrechnungshof kritisiert: Studie zu Endlager in Gorleben ging nicht an billigsten Anbieter. Doch dies wäre eine Tochter der deutschen AKW-Betreiber gewesen
HANNOVER taz ■ Der Bundesrechnungshof sorgt für Zweifel an der eigenen Unparteilichkeit. Grund sind Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Suche nach dem Standort für ein Atommüllendlager. Ein 25-seitiger Bericht der Rechnungsprüfer kritisiert die Vergabe eines Gutachtens zu grundsätzlichen Fragen der Endlagerung durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).
Der Bericht moniert, dass ein Gutachten zum so genannten Mehrbarrierenkonzept nicht bei der DBE Technology GmbH (DBETec) in Auftrag gegeben wurde. Diese hatte das billigste Angebot abgeliefert. Das BfS lehnte die DBETec jedoch wegen des Verdachts der Befangenheit ab, handelt es sich doch um ein Unternehmen, das sich über seine Mutter DBE zu 75 Prozent im Besitz der Gesellschaft für Nuklearservice und damit der AKW-Betreiber befindet. Die Rechnungsprüfer warfen dem Amt und dem übergeordneten Umweltministerium vor, sich über „die Gebote des Wettbewerbs, der Transparenz, der Wirtschaftlichkeit, der Nichtdiskriminierung“ hinweggesetzt zu haben.
Das Gutachten, das am Ende an die schwedische Bietergemeinschaft Kemakta vergeben wurde, soll in allgemeiner Form der Frage nachgehen, ob man für ein sicheres Endlager, also für die dauerhafte Trennung hochradioaktiven Mülls von der Biosphäre, mehrere undurchlässige geologische Barrieren braucht. Damit berührt es zwangsläufig eine für den Endlagerstandort Gorleben entscheidende Frage. Schließlich steht seit 25 Jahren fest, dass über dem Gorlebener Salzstock geschlossene Gesteinsschichten als zweite natürliche Barriere fehlen, weil der Salzstock in der Eiszeit von einem Gletscher abgeschrubbt wurde.
Die Muttergesellschaft der DBETec, die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), betreibt im Auftrag des BfS das Gorlebener Endlagerbergwerk und engagiert sich seit ihrer Gründung vor 25 Jahren für die Einlagerung von Atommüll in dem Salzstock. Für die AKW-Betreiber geht es beim Endlagerprojekt in Gorleben um viel Geld. Sie müssen die Atommüllentsorgung bezahlen und haben in die Erkundung oder den faktischen Ausbau des Endlagers bereits eine gute Milliarde Euro investiert – die ins Salz gesetzt wäre, wenn der Standort am Ende aufgegeben wird.
Bei der Vergabe des Gutachtens zogen Spitze und Fachabteilungen des BfS offenbar nicht immer an einem Strang. Am Ende kam BfS-Präsident Wolfram König mit der DBE-Spitze überein, dass die DBETec ein Gutachten zur unverfänglicheren Frage einer rückholbaren Endlagerung von Atommüll erstellen werde. Die DBETec wollte dafür ihr anderes Angebot zurückziehen. Bald darauf flammte der Streit erneut auf. Die DBE erklärte nun, sie bewerbe sich doch weiter um das Mehrbarrieren-Gutachten. Begründet wurde der Rücktritt vom Rückzieher mit Druck, den Eigentümer auf die DBE ausgeübt hätten.
Immerhin erarbeiten die Rechnungsprüfer nach einer Stellungnahme des Umweltministeriums nun einen zweiten Bericht. Mit dem Hinweis, dass dieser noch nicht abgeschlossen sei, wollte die Kontrollbehörde keine Stellung zu dem Vorgang nehmen. JÜRGEN VOGES