: Lemke unterliegt vor Gericht
Muslimin darf keine Religionskunde unterrichten, hatte Willi Lemke vor Gericht argumentiert. Die Richter widersprachen: Religionskunde ist kein Bekenntnisunterricht, und zur Kultur des Christentums gehört die Toleranz für Andersdenkende
Bremen taz ■ Nach dem Kopftuch-Urteil des Bremer Verwaltungsgerichtes (siehe Bericht Seite 6) drängt die CDU auf ein schnelles gesetzliches Kopftuchverbot an Bremer Schulen. „Wir können das Kopftuch als politisches Symbol und als Kampfansage an westliche Werte, die Gleichberechtigung der Frau und die Demokratie im Unterricht nicht akzeptieren“, sagte CDU-Fraktionschef Jörg Kastendiek. „Es ist geradezu absurd, wenn unsere Bremer Gesetze Mönchen und Nonnen wegen ihrer Ordenskleidung das Unterrichten verbieten, aber Kopftuch tragende Muslime als Lehrerinnen erlauben.“
Bildungssenator Willi Lemke will die Eilentscheidung zwar in dem Sinne akzeptieren, dass die betroffene Referendarin ihre zweite Ausbildungsphase beginnen kann. Juristisch will Lemke allerdings Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen. Eine „gesetzliche Regelung über das Tragen von religiösen Symbolen durch Lehrkräfte und Betreuungspersonen in der Schule“ sei dringend notwendig, heißt es in der Erklärung des Bildungsressorts. Auf den inhaltlichen Streit mit dem Koalitionspartner, an dem bisher ein Landesgesetz gescheitert war – die CDU will christliche Symbole erlauben – geht Lemke nicht ein.
Die Eilentscheidung des Bremer Verwaltungsgerichtes ist sehr differenziert und ausführlich begründet. Sie verweist auf das Bundesverfassungsgericht, das entschieden hatte, nur eine konkrete landesgesetzliche Regelung könnte „Mäßigung und Zurückhaltung“ in Kleiderfragen definieren. Allein aus der Bremischen Landesverfassung ließen sich keine besonderen Anforderungen an BGU-LehrerInnen ableiten – im Gegenteil: „Die Bejahung des Christentums bezieht sich insofern auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors, nicht auf bestimmte Glaubenswahrheiten. Zum Christentum als Kulturfaktor gehört gerade auch der Gedanke der Toleranz für Andersdenkende“, schreiben die Richter den Bildungspolitikern ins Stammbuch.
Willi Lemke hatte in seinem Schriftsatz die grundsätzliche Bremer Position, nach der der Staat bei der Einstellung von LehrerInnen nicht nach Religionszugehörigkeit fragt, aufgegeben und sich einen Schritt den christlichen Kirchen angenähert. Die vertreten die Position, dass nur bekennende Christen „Biblischen Geschichts-Unterricht“ (BGU) geben dürfen. Die Kirchen hatten diese Haltung durch ein Gutachten untermauern lassen. Die Referendarin sei „als Muslimin persönlich nicht geeignet, das Fach BGU zu unterrichten“, hatte Lemke vor Gericht argumentiert: „Davon sei nach einem Rechtsgutachten auszugehen, das Prof. Dr. Christoph Link (Universität Erlangen) im Jahre 2004 für die Bremische Evangelische Kirche erstattet habe“, so fasst das Gericht die Position des Bildungsressorts zusammen. Und widerspricht ihr umgehend: „Der (…) von Link vertretene Ansatz vernachlässigt die nach Art. 32 Abs. 1 Bremische Landesverfassung vorgegebenen Bekenntnisfreiheit des als ‚Biblische Geschichte‘ umschriebenen Unterrichts“, heißt es in dem Richterspruch. „Danach darf das Christentum im BGU zwar als prägender Kultur- und Bildungsfaktor, nicht aber in Bezug auf bestimmte Glaubenswahrheiten und Bekenntnisse zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden. Auch steht es dem Staat hiernach nicht zu, die Bekenntnisorientierung derjenigen zu prüfen, die Unterricht in staatlicher Verantwortung im Fach BGU erteilen.“ kawe
Die einstweilige Anordnung im Wortlaut: www.mehr-dazu.de
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