Kate Moss, irgendwie

Deutschland (4) – die wöchentliche Kolumne aus der Republik von Henning Kober. Heute: Die blaue Lagune

Kurz vor Mitte der Nacht. Schon wieder zweimal nicht geschlafen, aber wär’s jetzt nicht auch viel zu schade um die schöne Zeit? Komm, wir fahren raus aus der Stadt. Donnern durch den dunklen Wald, der da steht wie eine Wand. Rechts und links der Autobahn, hier im Süden Berlins. Macht Geschwindigkeit frei? Ja klar, ein bisschen, vom Tag. Mit Julian, meinem Freund und Begleiter der Nacht, ist’s auch zu angenehm. Tauschen hübsche Geschichten über Mädchen und Freunde, und man fragt sich nur: Hat Kate Moss eigentlich wirklich nie einen Fehler gemacht?

Dann durch die Schleuse ins große Schiff, die Dame sagt: „Willkommen im Tropical Island.“ Tatsächlich sieht’s in echt gar nicht so schlimm aus. Warm wie im Bad, das Licht gut gedimmt, es spielen die Töne. Riechst du das Meer? Wo ist die Bambushütte, wo sind die kleinen, harten Hände, die den Schmerz im Nacken wegstreichen? „Wo sind meine Pommes?“, will Julian, der auch ein rasender Romantiker ist, wissen. Hatten beide den ganzen Tag nur Kellogg’s Special K und Red Bull zuckerfrei. Arbeiten an Abgaben. Sitzen jetzt an der Südsee mit Radeberger und Rot-Weiß. Auf der Showbühne macht eine Truppe die Beine lang. Hübsch kommen hier zusammen Trash und Traum. Lachen ja alle über den malaysischen Investor, der unbedingt mehr Millionen versenken will. Aber der träumt schon richtig, sinnig sinnfrei. Danke für den Dschungel.

Hey, große Nichte von Jamie Lee Curtis, wo geht’s nach Thailand? Schaut sie ihre Kollegin an, „Thailand ham wa nich.“ Aber eine blaue Lagune. Liegen im weißen Sand. Fantasieren über Brooke Shields. Tatsächlich ist’s in dieser Nacht ein verlassener Abenteuerspielplatz. Irgendwo verteilen sich keine hundert Leute. Alles und alle sehr entspannt, auch wenn ein paar Badelatschen tragen. Die Security schert sich um nichts. Psychedelisch spielen die Klänge. Kiffen ist okay, Heroin rauchen oder Koffer tauschen würde wahrscheinlich auch niemand stören, Hacienda hier. Das Raumschiff fliegt. Rutschen durch Strobo-Licht ins Wasser, spielen toter Mann. Da hinten raucht Kate Moss, irgendwie. Wann wird’s mal wieder richtig Sommer, auch schon egal.

Später fahren wir zurück in die große, leere Stadt. Der Körper ist noch warm für Stunden. Halb fünf hellt sich der Himmel langsam auf, Azur. Komisch, wie schnell sich die Dinge verändern, ich sing’s noch einmal, sing’s für dich.