: Freier Handel für das Produkt aus dem Ei
Nicht in Berlin, in Brüssel wird derzeit kreativ daran gearbeitet, die nationalen Biotech-Verbote auszuhebeln
BERLIN taz ■ Das Dementi kam prompt, wenn auch halbherzig. Es gebe bei der Bundesregierung keine Grundsatzänderung in der Stammzellforschung, verkündete Regierungssprecher Béla Anda gestern in Berlin. Zuvor schon hatte Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) verlauten lassen, dass es derzeit keine Pläne gebe, dass restriktive deutsche Stammzellgesetz zu ändern. Die Politiker regierten damit auf einen Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wonach Bundeskanzler Gerhard Schröder am 14. Juni anlässlich einer Rede an der Göttinger Universität einen neuen Kurs in der Biopolitik verkünden werde. Ermutigt durch den Erfolg der südkoreanischen Forscher, so die FAZ, wolle sich Schröder für eine unbeschränkte Stammzellforschung einsetzen. Anda bestätigte nur, Schröder habe in dieser Frage eine „progressivere Haltung“ als die Mehrheit des Bundestags. Er halte eine Überprüfung des Stammzellgesetzes in zwei Jahren für sinnvoll.
Nach diesen erst 2002 verabschiedeten Regelwerk ist in Deutschland das Klonen menschlicher Stammzellen strikt untersagt und selbst die Forschung mit embryonalen Stammzellen nur sehr begrenzt möglich. So dürfen deutsche Forscher nur mit importierten Stammzellen arbeiten, die vor dem Jahr 2002 hergestellt worden sind. So sollte verhindert werden, dass für Forschungsvorhaben Embryonen vernichtet werden. Bei der für die Stammzellforschung zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Berliner Robert-Koch-Institut, sind bisher zwölf Anträge auf Zellimporte eingereicht worden. Und nur neun wurden bewilligt.
Während die Bundesregierung beteuert, dass – zurzeit – die Biopolitik nicht geändert werden solle, wird derzeit von der EU-Kommission versucht, in Brüssel eine Hintertür aufzumachen, die die Mitgliedsstaaten dazu zwingen könnte, trotz nationaler Verbote die Stammzelltherapie zuzulassen.
Erst vor wenigen Tagen hat die Kommission einen Verordnungsentwurf für Produkte aus Zell- oder Körpergewebe vorgelegt. Sollten jemals embryonale Stammzellen als Produkt zugelassen sein, verbietet das EU-Recht den Mitgliedsstaaten dann, den Handel zu behindern. Mit dem jetzt vorgelegten Entwurf, warnt die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer, könnten die nationalen Gesetze ausgehebelt werden.
WOLFGANG LÖHR