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Archiv-Artikel

Dialoge des Überlebens

Auf Einladung des Arbeitskreises gegen das Vergessen und der Neuen Gesellschaft werden Ada und Samuel Willenberg im Museum für Hamburgische Geschichte ihre Überlebensgeschichte erzählen

von Andreas Blechschmidt

Mit der Wiederkehr des sechzigsten Jahrestages der Befreiung vom Faschismus wurde in den letzten Monaten auch den zahlreichen durch die Alliierten befreiten Konzentrations- und Vernichtungslagern gedacht. Zentrale Orte der Ermordung der europäischen Juden sind dabei jedoch kein Bestandteil des öffentliche Erinnerns gewesen. Die vier Vernichtungslager der so genannten „Aktion Reinhard“, die die Ermordung der polnischen Juden zum Ziel hatte, Chelmno, Belzec, Sobibor und Treblinka sind solche „vergessenen“ Orte.

SS-Führer Heinrich Himmler erteilte im Herbst 1941 den Auftrag, die 2 Millionen im so genannten „Generalgouvernement“ lebenden polnischen Juden systematisch zu deportieren und zu ermorden. Nachdem im Mai 1941 einer der maßgeblichen Planer der „Endlösung“ Reinhard Heydrich einem Attentat des tschechischen Widerstands zum Opfer fiel, wurde diese Mordaktion nach ihm benannt. Zwischen Ende 1941 und dem Sommer 1942 entstanden neben Chelmno die drei anderen „Buglager“, in denen bis Ende 1943 1,6 Millionen Menschen durch die Abgase von Dieselmotoren ermordet wurden. Das Vernichtungslager von Treblinka bestand nur knapp 13 Monate, trotzdem wurden in dieser kurzen Zeitspanne dort mindestens 850.000 Menschen ermordet. Bereits im Frühjahr 1943 leitete die SS die Auflösung des Vernichtungslagers ein, die bis dahin überlebenden Häftlinge sollten die Spuren des Verbrechens beseitigen. Bei einem Aufstand im August 1943 gelang 70 der ungefähr 750 Häftlinge die Flucht, 54 von ihnen erlebten das Kriegsende. Alle anderen wurden durch die SS ermordet.

Einer der Überlebenden ist der heute 82-jährige Samuel Willenberg, der 1942 nach Treblinka deportiert wird. Nach seiner erfolgreichen Flucht schließt er sich dem polnischen Widerstand an und nimmt am Warschauer Aufstand im August 1944 teil. Nach dem Krieg baut er sich zunächst in Polen eine Existenz auf und heiratet. 1950 wandert Samuel Willenberg zusammen mit seiner Frau Ada, die 1943 aus dem Warschauer Ghetto fliehen konnte und mit falschen „arischen“ Papieren den Krieg überlebte, nach Israel aus.

Auf Einladung des Arbeitskreises gegen das Vergessen und der Neuen Gesellschaft wird Samuel Willenberg gemeinsam mit seiner Frau im Rahmen eines Zeitzeugengespräches im Museum für Hamburgische Geschichte am kommenden Donnerstag über seine Lebensgeschichte berichten. Der Arbeitskreis setzt mit dieser Veranstaltung seine Reihe von Zeitzeugengesprächen fort, in der Überlebende der Shoah über ihr Leben mit dem Überleben berichten. Dies ist für die Zeitzeugen selbst durchaus auch belastend, in dem sie sich wieder den eigenen traumatischen Erinnerungen aussetzen. Doch gleichzeitig haben der Überlebende des Vernichtungslagers Sobibor, Thomas Blatt oder Jósef Paczynski, ehemaliger Häftling des Stammlagers von Auschwitz in der Vergangenheit diese Reihe als Möglichkeit des Dialogs mit den Nachgeborenen der Tätergeneration genutzt.

Die Sinnhaftigkeit dieses Engagements zeigt sich angesichts des jüngsten Erinnerns und Gedenkens anlässlich des 8. Mai. Es ist eine Gedenkkultur, die einerseits das Holocaustdenkmal in Berlin feiert oder in Hamburg die wünschenswerte Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Andererseits ist jedoch beispielsweise die Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen noch immer nicht angemessen geregelt, während Bundesinnenminister Otto Schily gleichzeitig allen Ernstes eine Kontinuität zwischen den Ministerien der Nachkriegszeit und dem NS-Regierungsapparat vor 1945 bestreitet. So sind Veranstaltungen wie diese auch zukünftig unbedingt notwendig.

Do, 26.5., 19.30 Uhr, Museum für Hamburgische Geschichte