: Bürgerstiftung auf Spielstraße
Der Senat will, dass der Staat Kompetenzen aufgibt und dem „bürgerschaftlichen Engagement“ überträgt. So steht es in seinem „Handlungskonzept für eine Bürgerstadt“. Die „Bürgerstiftung Bremen“ allerdings ist noch auf Nischenprojekte beschränkt
Bremen taz ■ Am Dienstag will sich die Stadtbürgerschaft mit dem Thema „Bürgerstadt“ befassen. Die Fraktionen der Koalition hatten danach gefragt, was sich der Senat unter diesem Stichwort auf die Fahnen geschrieben hat. Die Antwort des Senats lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: „Die Idee der Bürgerstadt basiert auf dem Ziel, die örtlichen Angelegenheiten möglichst weitgehend in die Hände der Bürgerinnen und Bürger zu legen.“ Es gehe um die „Idee einer Zivilgesellschaft, die ihren Mitgliedern die selbst organisierte Bewältigung von Problemen ermöglicht“. Und der Senat schließt sich auch einer wichtigen Erkenntnis an: „Bürgerschaftliches Engagement benötigt eine Kultur der ernst gemeinten Beteiligung.“
Befindet sich also „Bremen auf dem Weg zur Bürgerstadt“? Keineswegs. Der Senat ist weit davon entfernt, wirklich auf Entscheidungsbefugnisse zu verzichten und Kompetenzen der Verwaltung „in die Hände der Bürgerinnen und Bürger“ zu legen. Bürgerbegehren auf Stadtteilebene sind nicht vorgesehen, Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene werden nur erlaubt, wenn nichts beschlossen werden kann, was Geld kosten könnte. Die Beispiele, die in der Antwort des Senats zum Thema „Bürgerstadt“ angeführt werden, lassen sich an den Fingern einer Hand zusammenzählen: Verteilung der WIN-Mittel („Wohnen in Nachbarschaften“), Moderationsverfahren Pauliner Marsch, Runder Tisch zum Stadionbad und in Seehausen. Die letztendliche Entscheidung behält sich die Verwaltung dann meist doch vor. Im vergangenen Jahr wollte der Bausenator dem Beirat Schwachhausen sogar das Recht streitig machen, über die Benennung von Nebenstraßen zu entscheiden.
Ein „wichtiges Signal“ auf dem Weg zur Bürgerstadt, so heißt es in der Senatsantwort, sei Gründung der „Bürgerstiftung“ im Jahre 2002. Damals hatte der Senat 100.000 Euro „Anschubfinanzierung“ bereitgestellt, 200.000 Euro ins Stiftungsvermögen eingezahlt und zugesagt, für jeden Euro, den die Stiftung zusätzlich privat für ihr Vermögen bekommt, einen staatlichen Euro drauf zu legen. Die Stiftung hat dieser Tage ihren Jahresbericht für 2004 vorgelegt, der deutlich macht, dass die Stiftung sich in Nischen betätigen muss, da der Senat in keiner Weise bereit ist, wirklich „die örtlichen Angelegenheiten möglichst weitgehend in die Hände der Bürgerinnen und Bürger zu legen“. Zum Beispiel werden LehrerInnen in ihrer Ausbildung vollkommen unzureichend auf die Anforderung vorbereitet, Konflikte an der Schule zu schlichten. Das zu kompensieren ist ein wesentliches Betätigungsfeld der Bürgerstiftung: 70 Lehrer aus 20 Bremer Schulen nehmen an Fortbildungen teil, berichtete Stiftungsvorstand Christoph Hoppensack. Die Stiftung hat auch die Arbeit des Moderationsverfahrens Stadionbad mit 2.500 Euro unterstützt. Und sie unterstützt ein Projekt der Anwohner der Gellertstraße in der Neustadt, ihre Straße in eine Spielstraße umzuwandeln.
Sozialsenatorin Karin Röpke, die zusammen mit Hoppensack den Jahresbericht der Bürgerstiftung vorstellte, wünscht sich natürlich mehr Selbsthilfe und freiwilliges Engagement im sozialen Bereich – ohne dass sich der Staat „aus seiner Verantwortung für soziale Gerechtigkeit zurückziehen“ dürfe. Hoppensack formulierte den Satz: „Wer bürgerschaftliches Engagement in einer Bürgerstadt Bremen will, der muss glaubhaft Zeichen setzen, dass er Bürgerinnen und Bürger für mehr und anderes braucht als für die Ausfüllung von Lücken.“ Als Kritik am Senat wollte der langjährige Staatsrat das aber nicht verstanden wissen.
Kawe