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Archiv-Artikel

Sammer in der Sackgasse

Nach der 1:3-Niederlage gegen den Meister FC Bayern München und dem Verpassen der Champions-League-Qualifikation gerät der Trainer des VfB Stuttgart gehörig unter Druck

„Wir haben einen Schritt zurück gemacht“

AUS STUTTGART OLIVER TRUST

Es wird vor allem der Drang nach Selbstschutz gewesen sein, der Erwin Staudt aus der Tür trieb. Als der Präsident des VfB Stuttgart den Zeugenstand verließ, erinnerte sein Abgang an eine Flucht. Zwei Minuten zuvor hatte er seine Verärgerung kaum noch zügeln können. „Es geht jetzt darum, Antworten zu finden“, sagte er – eine Spur zu laut.

Gerötete Augen

Die Augen unruhig, das Gesicht vor Erregung gerötet, wippte Staudt angriffslustig auf Ballen und Ferse. Nun fiel die Tür hinter ihm just in dem Moment ins Schloss, als Trainer Matthias Sammer seine Analyse beendet hatte. Staudt rauschte davon und wusste wohl, was ihn in den nächsten Tagen erwartet: eine Trainerdiskussion, die er gerade vehement zu verhindern versucht hatte. Es gibt sie längst. In der Mannschaft, im Präsidium, unter den Anhängern und im Umfeld. Es gibt sie nicht erst seit diesem demütigenden 1:3 gegen Bayern München, das die letzten Hoffnungen auf einen Platz an den Fleischtöpfen der Champions League platzen ließ.

Erwin Staudt war dann auch aus dem Presseraum verschwunden, weil er am Ende einer „unbefriedigenden Saison, in der wir die Chance Champions League fahrlässig preisgegeben haben“, noch keine Lösungen präsentieren konnte. Fest steht, dass der einstige Wunschtrainer Sammer längst nicht mehr als die ideale Lösung angesehen wird, die die Schwaben auf dem Weg weiter führt, den sein Vorgänger Felix Magath beschritten hatte.

Vom Schwung, von der Begeisterung vergangener Tage ist nicht viel übrig geblieben in Stuttgart. „Sammer raus!“, riefen viele Augenzeugen in der schwäbischen Arena, als die gestrauchelten VfB-Profis mit leerem Blick vom Feld schlichen.

Insgesamt 49.000 Zuschauer sahen eine Mannschaft, die, so schien es, sich willenlos abwatschen lassen wollte. „Wir haben einen Schritt zurück gemacht“, stellte Kapitän Zvonimir Soldo gereizt fest, wollte nichts mehr sagen und tat, was sein Präsident vorgemacht hatte – er flüchtete. „Es ist doch auch schön, im Uefa-Cup zu spielen“, sagte Torwart Timo Hildebrand spöttelnd und verzog das Gesicht.

Jetzt sucht die frustrierte schwäbische Fußballfamilie nach Gründen. Hinter den Kulissen wird über Sammers Trainingsprogramm diskutiert, das manchem zu lasch und nicht umfangreich genug erscheint. Es wird darüber gesprochen, dass es Sammer nicht gelang, Jungstars wie Alexander Hleb, Kevin Kuranyi, Timo Hildebrand und Fernando Meira, die sich unter tatkräftiger Mithilfe ihrer Berater als egoistische Ich-AG hervortaten, nachhaltig zu bändigen. Es war ein Prozess, der sich seit langem andeutete und Diskussionsansätze über mögliche Alternativen zu Sammer erklärt. Einer der Kandidaten aber, ein Schwabe, hat bei einem anderen Bundesligaklub unterschrieben, und der zweite, ein ehemaliger Spieler, will seine Arbeitspause erst einmal fortsetzen. Zudem sieht die Stuttgarter Vereinsführung noch genug Anhaltspunkte dafür, mit dem bisherigen Trainer die Wende zu schaffen. Deshalb wird der 37 Jahre alte Sammer eine zweite Chance bekommen.

Die Macher in Stuttgart aber haben auch erkannt, dass der neue Versuch mit Sammer, dessen Verhältnis zu einem Teil der Mannschaft als äußerst schwierig gilt, nur Aussicht auf Erfolg hat, wenn ein grundlegender Wechsel des Personals gelingt. Vor allem den Weißrussen Hleb wollen die Schwaben möglichst schnell loswerden. Arsenal London hat mehrmals Interesse bekundet. Aber auch Fernando Meira, ja selbst Kevin Kuranyi steht zur Disposition. Für die Umstrukturierung des Kaders brauchen die Schwaben Geld. Im Uefa-Cup aber lässt sich kaum etwas verdienen, nur die Champions League hätte die nötigen Millionen in die Kasse gespült.

„Oben“, sagte Erwin Staudt, „sitzt unser Finanzchef Ulrich Ruf und weint dicke Krokodilstränen.“ Nun müssen die Schwaben auf Angebote für ihre namhaften Verkaufsobjekte warten, sonst könnte der Frust noch viel schlimmer und könnten die Tränen noch dicker werden.