: „Wenn’s sein muss, fangen wir morgen an“
Die CDU wird von der Neuwahl-Ankündigung völlig überrascht. Klar ist nur: Merkel ist Kandidatin
BERLIN taz ■ So hatte es CDU-Chefin Angela Merkel gar nicht gemeint, als sie um kurz nach 18 Uhr von einem „historischen Sieg“ für die CDU sprach. Auch ihr Generalsekretär Volker Kauder wurde von der Ankündigung des SPD-Chefs Franz Münteferings völlig überrascht, dass es schon im Herbst Neuwahlen geben werde. Als sich das Gerücht zur Nachricht verfestigte, stand Kauder gerade im Konrad-Adenauer-Haus und gab Interviews, in denen er erklärte, die Union werde nach dem Erfolg in NRW „in aller Ruhe“ die „Sach- und Personalfragen“ klären. Von wegen.
So viel Zeit bleibt nicht mehr, der Bundestagswahlkampf begann bereits gestern und natürlich tat Kauder so, als sei das kein Problem. „Wenn die Regierungskoalition das will – wir sind bestens gerüstet“, behauptete er. „Wenn’s sein muss, fangen wir morgen an.“
Die Personalfrage zu klären, dürfte dabei noch die leichteste Aufgabe sein. Niemand bezweifelt, dass jetzt Merkel Kanzlerkandidatin wird. Nur offiziell sagen wollte es gestern Abend zunächst noch keiner. Man versuchte es, indirekt auszudrücken. „Die Botschaft des heutigen Tages heißt: Mit Angela Merkel gewinnt die Union Wahlen“, so Kauder.
Dem wollte auch CSU-Landesgruppenchef Michael Glos nicht widersprechen, der den Wahlabend bei der CDU in Berlin verbrachte. Er stellte lediglich in Zweifel, dass es Müntefering gelingen werde, die rot-grünen Abgeordneten dazu zu bringen, Neuwahlen herbeizuführen. Da dächten doch viele an ihre Pensionen, die ihnen entgehen könnten, meinte Glos.
Die Union dagegen komme mit dem „unerwarteten“ (Glos) Zeitdruck bestens zurecht. Man sei „entscheidungsbereit“, erklärte Edmund Stoibers Statthalter in Berlin. Aus München gab es bereits erste Signale, wonach sein Chef Merkel schnell zur Kandidatin ausrufen werde. Er habe noch nicht mit Stoiber telefoniert, sagte Glos.
Wie die Union ihre bisher noch völlig unausgereiften Steuer- und vor allem ihre Gesundheitskonzepte so schnell auf einen gemeinsamen und nach Möglichkeit auch noch allgemein verständlichen Nenner bringen will, konnte Glos in der Eile denn auch nicht erklären. Er war sich nur in einem sicher: SPD-Chef Müntefering habe „aus Angst vor dem Tod Selbstmord zu begangen“. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen sah in der Ankündigung Münteferings gar einen „Kanzlersturz“ des SPD-Chefs. LUKAS WALLRAFF