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Newo Ziro (Neue Zeit) Deutschland 2012, R: Robert Krieg, Monika Nolte

Der Filmtitel ist zweisprachig, aber die O-Töne fast nur deutsch – bis auf die Lieder, die auf Romanes gesungen werden. Die besingen keine Lagerfeuerromantik: Eine Frau verlässt in einem Lied ihren Mann und die Kinder. Bawo Reinhardt singt in „Illusionen“: „Sie haben uns verfolgt, sie haben uns eingesperrt“. Seine Tochter Heidi sitzt im Publikum und kann dabei nur schwer die Tränen halten, während sie gefilmt wird. Ihr Vater hat seine ersten Lebensjahre in KZ verbringen müssen, die Deutschen haben ihn zusammen mit den Eltern eingesperrt. Zuletzt war er in Auschwitz. Bawo Reinhardt sitzt, als er dies schildert, auf einem Ausflugsboot, dass das „deutsche Eck“ ansteuert, am malerischen Rheinufer voller Weinberge. Ein Kontrast, durch den die Kamera deutsche Gemütlichkeit und die Vernichtungslager, die KZ, verbindet.

Newo Ziro portraitiert drei Sinti, die in Koblenz leben: Bawo Reinhardt, den Opa, seine Enkelin Sibel Mercan, ihren Onkel und Bawos Sohn Lulo Reinhardt. Alle drei wirken mit beim jährlichen Musikfestival „Djangos Erben“, dass bei der Siedlung „Unterer Asterstein“ stattfindet – dort, wo die meisten Sinti leben, am Stadtrand. Deutsche sagen oft, dort leben „die Asozialen“, ohne uns zu kennen, erklärt eine junge Frau.

Die Regisseure sind durch das Festival auf die Reinhardts aufmerksam geworden. Die Dramaturgie des Filmes folgt nahezu einer ethnologischen Feldforschung über eine ab-, besser ausgegrenzte Gruppe. Dabei nähert sich der Film aber immer mehr den drei Portraitierten, je mehr sie als Persönlichkeiten hervortreten, desto bedeutungsloser werden kulturalistische Zuschreibungen. Zu Beginn eine Totale. Eine große Wiese am Rhein, ein Zirkuszelt, viele Wohnwagen, davor spielen meist dunkelhaarige Kinder Fußball. Vier Männer fangen an einem Campingtisch an, Musik zu machen, mit zwei Guitarren, Cello und Geige. Lulo Reinhardt, dessen Band hier probt, bedient nicht die Erwartungen, bei den Standards des Swing zu verweilen.

Lulo Reinhardt, der sich nicht den Erwartungen einer Gemeinschaft unterordnen will – auch nicht seiner Sintifamilie – ist auch darin ein Vorbild für sein Neffin Sibel Mercan. Sie spielt gern Fußball, traniniert Kung Fu. Und geht aufs Gymnasium, als einzige aus ihrer Grundschulklasse der Kinder aus der Siedlung. Röcke tragen ist für sie ungewohnt, sie will ihren eigenen Weg gehen. Mit Lulo komponiert sie eine Ballade über die Vertreibungsgeschichte der Sinti und Roma. Am Schluß, über dem Abspann ist zu hören, wie Sibel die Ballade, begleitet von Lulo auf der Guitarre, auf dem Festival singt. Gaston Kirsche

„Newo Ziro (Neue Zeit)“ So, 1.4, 11 Uhr, Abaton, Allendeplatz, Premiere mit Regisseur Robert Krieg und dem Vorsitzenden des Europäischen Zentrums für Antiziganismusforschung e.V., Marko D. Knudsen. Musikalische Begleitung: „Café Royal“. Ab 5. 4. läuft „Newo Ziro“ weiter.