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Archiv-Artikel

Unverkrampfte Einfachheit

INDIEROCK Im Quartett Vierkanttretlager entdecken emsige Musikjournalisten schon die Lückenschließung zwischen Tocotronic und Element of Crime. Dabei haben die Husumer gerade erst ihr Abitur bestanden. Und besingen lieber einfache Erkenntnisse

Die Beobachtungen sind ähnlich einfach wie die Erkenntnisse daraus

VON BIRK GRÜLING

Zahlreich sind die schlechten Angewohnheiten der Musikjournalisten. Allen voran das zwanghafte Einordnen von Musikern und Parallelenziehen zu möglichen bekannten Größen. Von einer Lückenschließung zwischen Element of Crime und Tocotronic und einer großen Nähe zur Hamburger Schule, liest man da etwa im Fall der vier Husumer von Vierkanttretlager. Assoziationen, die deren Frontmann Max Richard Leßmann den Kopf schütteln lassen: „Ich freue mich zwar immer wieder, wenn zufällig Hamburger Schule auf meinem MP3-Player läuft, aber wir haben es nie drauf angelegt, genauso zu klingen oder versucht, die Songs zu covern.“

Schließlich sind das ganz schön reife Referenzen für vier Musiker, die gerade erst ihr Abitur bestanden haben und sich mit Anfang 20 die Lebensweisheiten eines Sven Regeners noch gar nicht beschaffen konnten. Oder doch? „Es gibt wirklich öfter Menschen, die aus allen Wolken fallen, wenn sie hören, wie jung wir sind“, lacht der Sänger. Und hat auch eine Erklärung für die gut gemeinte Fehleinschätzung: „Ich habe mir immer viel Mühe gegeben, Dinge bis ans bittere Ende zu denken. Vielleicht kommt daher die etwas greisenhafte Klarheit in den Texten.“ Auf der anderen Seite steht aber auch eine wütende und direkte Jugendlichkeit, die ihre Musik von einer oft anstrengenden Intellektualität von Tocotronic & Co unterscheidet.

Musikalisch wurde diese unverkrampfte Mischung auch durch die Zusammenarbeit mit Produzent Gregor Henning (Die Sterne und Bernd Begemann) begünstigt. Textlich bietet „Die Natur greift an“ sowieso vor allem viel Direktes und Klares, die Beobachtungen sind dabei ähnlich einfach wie die Erkenntnisse daraus. In „Zwischen den Zeilen“ verkünden Vierkantretlager, dass „alles besser aussieht, wenn man nicht hinsieht“ und im Song „Hooligans“ zeichnen sie zusammen mit Rapper Casper eine absurde Romantik der Tristesse, die man wohl nur so dokumentieren kann, wenn man in einer Stadt wie Husum aufgewachsen ist.

Als Quintessenz dieses kühlen und bedachten Zwiegespräches zwischen Max Leßmann und der Welt bleibt dabei der Rat, „die Dinge passieren zu lassen“. Das gilt übrigens auch für die Band selbst. „Wir hatten selbst nie einen Masterplan, alles hat sich eher natürlich ergeben“, erklärt Leßmann und bleibt auch angesichts gewachsener medialer Aufmerksamkeit gelassen. „Wir haben alle Stufen artig durchlaufen und es kam nichts plötzlich oder über Nacht.“

Diese stoische Ruhe, gepaart mit einer intelligenten Charakterstudie der eigenen Jugend, machen Vierkanttretlager zu einer Band, die zugleich die Sehnsucht vieler Kulturpessimisten nach „Echtheit“ in der Popmusik spielen kann und dem Otto-Normal-Musik-Verbraucher eine klanglich gefällige Heimat bietet. Wie das live funktioniert, kann man dieses Wochenende in Hamburg und Lübeck herausfinden.

■ Hamburg: Fr, 30. 3., 21 Uhr, Prinzenbar, Kastanienallee 11; Lübeck: Sa, 31. 3., 21 Uhr, Rider’s Cafe, Leinweberstraße 4