LESERINNENBRIEFE :
„We vote them out“
■ betr.: „Der Lack des Neuen“, taz vom 27. 3. 12
Herr Strohschneider, Sie verkennen die Lage: Die Wähler der Piraten wollen es nicht dumpf-blöd „denen da oben zeigen“. Sie sind gebildet, jung und nicht desillusioniert, sarkastisch und abgefuckt wie die Restgrünen, die es bei diesem karrieristischen Haufen noch hält. Noch verfügen sie über ein gestörtes Verhältnis zu unserer Verfassung, nach der alle Macht vom Volke ausgeht und nicht von dem Generalsekretär einer korrupten Splitterpartei namens FDP, der das, was hier gottlob immer noch gilt, „Tyrannei der Masse“ nennt. Wir haben die Nase voll von Leuten, die behaupten, dem Gemeinwohl zu dienen, aber nur unsere hart erarbeiteten Steuergelder verwullfen, vermerkeln und verwesterwellen, und wir werden uns unser Land zurückholen: We vote them out! … und dann sehen wir weiter, was man Vernünftiges mit der Wirtschaftsleistung dieses Landes anfangen kann. MARTIN MENGES, Dorndorf
Ein glaubhaftes Versprechen
■ betr.: „Der Lack des Neuen“, taz vom 27. 3. 12
Die Piraten sind ein zurzeit ziemlich glaubhaftes Versprechen, das verkrustete Machtgefüge der Parteien in Deutschland zu brechen. Als ein auch in Deutschland durchaus Engagierter höre ich zunehmend Rufe nach Transparenz, auch nach dem, was man hierzulande (echte) Bürgerbeteiligung/Partizipation nennt. Ernst genommen werden, sich in ihre Dinge einmischen, mitmachen können, das ist für die junge Generation heute eine Selbstverständlichkeit. Doch das veraltete „postmonarchistische“ System, mit zu vielen Wurzeln in den beiden Nachkriegszeiten, steht ihnen immer noch im Weg. Die Menschen können sich in den alten Parteien engagieren. Oder in den NGOs. Sie entdecken auch die seit den 90ern eingeführten Ansätze zur direkten Demokratie, die das rein parlamentarische Parteiensystem weiterentwickelt (mehr dazu auf mehr-demokratie.de). Die etablierten Parteien entdecken zwar langsam das Thema von mehr oder sogar direkter Demokratie, Bürgerbeteiligung/Partizipation, aber mit Ängsten, ihre Macht zu verlieren – und so legen sie sie immer noch zu eng aus. Da kommen die Piraten mit ihrem Versprechen, Leute einzubeziehen und die Dinge zu ändern, gerade recht. VLADIMIR ROTT, Berlin, Zürich
PiratInnen werden gebraucht
■ betr.: „Der Lack des Neuen“, taz vom 27. 3. 12
Es ist nicht nur das Neue: Was guttut, ist das Unverbrauchte, Uneingefahrene, das Uneitle, das (noch) nicht Machtgierige, das (noch) nicht Korrumpierte. Die Piraten sind vom Erfolg überrollt worden, ehe sie ein ausgereiftes Programm haben: Sie (oder eine ähnlich aufgestellte Partei) werden gebraucht! Ich wünsche mir mehr Bekenntnis zu ökonomischer Transformation in ihrem Programm: Das Wort Kapitalismus gibt es da überhaupt nicht; das Wort „Bank“ kommt nur als „Datenbank“ vor! Das zeigt, wie weit die Piraten (noch) von der „Occupy“-Bewegung entfernt sind. Bauen sie diesen Sektor aus – und machen „Occupy“-Forderungen damit wählbar und die Piraten für ein noch breiteres Publikum attraktiv – oder muss da noch eine neue Partei entstehen? SABINE MIEHE, Marburg
Neoliberal, nicht gleich
■ betr.: „Was wollen diese Leute?“, taz vom 27. 3. 12
Wenn sich das Demokratieverständnis der FDP von ihrem Generalsekretär mit der „Tyrannei der Masse“ zusammenfassen lässt, sollte auch dem letzten Vorteilsnehmer klar geworden sein, dass Neoliberalismus sich nicht mit einer auf Gleichheit aufgebauten Gesellschaft verbinden lässt. KAI BEIDERWELLEN, Speyer