: Das alte Erdloch
Teil 2 der Gruselgeschichte zum Ausschneiden!
Oh, noch ein Tag, dachte Naim Kassim an jenem unheilvollen Morgen. Ein erster Ausflug war angesagt, voll gewagt eigentlich. Aber die Moral im Bunker war im Keller, haha, dagegen halfen Bewegung und etwas frische Luft, die heute rein sein sollte, das meinten jedenfalls die von der Geheimabteilung, die wegen der Sache mit den Quäken nur noch mit Brieftauben oder per Handalphabet miteinander kommunizierten. Naim Kassim, Nina und Kathi, das waren natürlich Decknamen, blieben eng beieinander und machten sich auf den Weg. Besonders Naim Kassim fand Gefallen an der Entdeckungstour. Er freute sich über die gewonnenen Eindrücke. Vor Freude hüpfte er über Steine, Totenschädel und Baumwurzeln hinweg. „Schaut mal, was ich kann!“, sagte er und drehte sich zu seinen Kampfgefährt*innen um. Doch Kathi und Miri waren nicht mehr da. Panik stieg in Naim Kassim auf. Er suchte die Umgebung ab und rief nach ihnen. Da vernahm er ein leises „Hilfe“. Schnell fand er ein Loch im Boden. „Seid ihr hier drin?“ Er nahm die Taschenlampe und leuchtete hinein. Das war ja fast wie damals in Irak! Dann erstarrte er. Faden um Faden, einer seidiger als der andere, ergriff Besitz von Naim Kassim, verwickelte ihn in ein stundenlanges Gespräch ohne Punkt und Komma, ja gänzlich ohne roten Faden. Aber wo waren Kathi und Miri, woher kam das immer schriller werdende „Hilfe, help, Hilfe“? Naim Kassim zog mit einem geübten Topdownagentengriff sein widerwärtiges Clownskostüm über seine beiden großen Ohren. Jetzt war er endlich nackt und in Fahrt. Und das an Halloween! Naim Kassim, den der Kreis der Waisen „Naim, der Naive“ oder „Kassier-Kassim“ nannte, wegen seiner Verstrickungen in unterirdische Bankgeschäfte, sah noch einmal auf den Kalender, der hoch über dem Erdloch in Form eines giftgrünen Kaninchens baumelte. Tatsächlich, heute war Halloween. Zwischen den Steinen und dem erdigen Auswurf ergoss sich eine fade, ja lustlose Kürbissuppe, wie sie Naim Kassim mit einem 1a-Gourmetblick erschmeckte. Das war ja zum Kotzen. Kein Wunder, dass Kathi und Miri hier klandestin um Hilfe schrien …
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