: Lehre und Emanzipation
AUSSTELLUNG Die Städtische Galerie zeigt 20 BildhauerInnen aus der Klasse von Juji Takeoka, der parallel dazu im Marcks-Haus zu sehen ist. Eine vergleichende Spurensuche
VON JAN ZIER
Natürlich sind sie nicht alle kleine Takeokas, die 20 BildhauerInnen aus seiner Klasse an der Bremer Hochschule für Künste, die derzeit in der Städtischen Galerie ausstellen. Weil man aber doch auf die Idee kommen könnte, zumal ihr Lehrer, eben Yuji Takeoka, der scheidende Professor, gerade drüben im Gerhard-Marcks-Haus in großer Retrospektive gezeigt wird, weil der Vergleich also in jeder Hinsicht förmlich nahe liegt, haben die ehemaligen SchülerInnen ihre Ausstellung lieber gleich „strong through diversity“ betitelt. Ganz programmatisch. Ein Abgrenzungsreflex, vielleicht. Sie alle wollen ja jetzt KollegInnen sein.
Doch der Takeoka-Stil ist halt auch ein ganz spezieller. Oft – indes: zu Unrecht – wird der seit 1973 in Deutschland lebende Japaner der schematisch-formelhaften „Minimal Art“ zugerechnet. Minimalistisch sind seine Sachen zwar schon, dabei für tradierte Bildhauerei zu wenig figürlich, zu nahe am Design, vor allem zu sehr auf das klassische Drumrum der Bildhauerei konzentriert, auf Sockel, Vitrinen. So etwas wie eine „Schule“ hat Takeoka, der seit 1995 in Bremen Bildhauerei lehrt, nicht begründet, wollte er sicher auch nie begründen. Und doch erkennt man in dieser Ausstellung da und dort den Lehrer wieder. Seine Lehre. Und seinen Sinn für Leere.
Am deutlichsten sichtbar wird diese künstlerische Verwandtschaft sicherlich bei Sonja Rentsch, die hier mit einem schlichten weißen Würfel ohne Titel vertreten ist, der ein „Höchstmaß an Neutralität“ wahrt, wie der Kurator der Ausstellung es formuliert, und der sich nahezu unmerklich von der Stelle bewegt. Ein Sockel, denkst du sofort, wenn du vorher Takeokas Arbeiten gesehen hast. Und dass bei ihm das Material sicher noch edler gewesen wäre. Aber immerhin, Rentsch kann auch noch anders, selbst wenn das hier nicht so zu sehen ist. Man kann es ja auch als Hommage verstehen. Und nicht nur als mangelnde Eigenständigkeit.
Am anderen Ende des Spektrums rangiert „Mixed Media“ von Margrét Rós Hardardóttir und Matthias Wörle. Eine raumgreifende Arbeit – dafür aber wiederum erstaunlich klein. Weil: Was wir hier sehen, ist der gesamte Hausstand der Künstlerin und ihres Lebensgefährten, vollständig inventarisiert und maximal komprimiert. Exakt 26.584 Teile sind es, acht Vasen, 142 Besteckteile, 1.020 Wollknäuel der Künstlerin – „Ich bin Wollfetischistin“ –, aber noch mehr Bücher ihres Lebensgefährten, 1.241, um genau zu sein. Und so weiter. Alles fein säuberlich aufgestapelt, abfotografiert, in ein Buch gebunden und dann in der Städtischen Galerie aufgetürmt. Und im Grunde unverkäuflich. „Das ist unser komplettes Leben“, sagt Margrét Rós Hardardóttir, die gerade in eine – möblierte – Wohnung gezogen ist. Es ist eine Art Porträt, ein Rechenschaftsbericht, und, ja, es hat auch was Voyeuristisches. Das Kunstwerk begann als „Witz“, sagt die Künstlerin, „meine besten Ideen entstehen oft so“. Für Takeoka, sagt sie, sei sie „zu sozial“, aber: „Ich bin eben in meinem ganzen Leben Künstlerin.“ Takeoka nicht. Gleichwohl, sagt sie, sei er „ein richtig guter Professor“ gewesen. „Sehr zurückhaltend“, sehr auf die Selbstständigkeit der Studenten bedacht. Und doch habe er stets gewusst, wann es an der Zeit war, ihnen etwas zu sagen.
Manch einer von ihnen hat mittlerweile Karriere gemacht, Christian Haake etwa, der schon mehrfach preisgekrönt und mit einer Einzelausstellung in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst ausgezeichnet wurde. Hier ist er mit einer eher untypischen Arbeit – ist das überhaupt noch Bildhauerei? – zu sehen. Auch Noriko Yamamoto ist dabei, die letzte Preisträgerin des Kunstpreises des Freundeskreises der Hochschule für Künste.
Viele Werke, und das verbindet die KünstlerInnen dann doch mit Takeoka, beziehen sich stark auf den Raum, in dem sie ausstellen. Und keiner von ihnen arbeitet klassisch-figürlich.
Bis 27. Mai, Städtische Galerie, Buntentorsteinweg 112