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Archiv-Artikel

Weder Fisch noch Butter

Die erste Regierungserklärung des neuen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) verspricht nicht viel – und wird von der Opposition im Kieler Landtag nur mit versöhnlicher Mattigkeit attackiert

Ehrlich sind sie jedenfalls: „Wir werden nichts versprechen, was wir nicht halten können“, sagte Schleswig-Holsteins neuer Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) gestern in seiner ersten Regierungserklärung. Und Lothar Hay, Fraktionschef der Koalitionspartnerin SPD, ergänzte: „Wir können heute nicht sagen, wo wir am Ende dieser Legislaturperiode stehen werden.“

„Butter bei die Fische“, hatten sich Beobachter im Vorfeld der gestrigen Landtagssitzung gewünscht, sprich: Klare Ansagen. Denn schließlich ist die große Koalition angetreten, um alles anders und besser zu machen im nördlichsten Bundesland und drängende Probleme – Haushaltsloch, flauer Arbeitsmarkt, Strukturschwächen – zu lösen. Aber sehr weit vor wagten sich gestern weder Hay noch der Regierungs-Chef selbst: Haushalt, kommunale Strukturreform, Bildung, Arbeitsmarkt – Carstensen nannte die Schlüsselthemen, die bereits im Wahlkampf eine Rolle gespielt hatten. Um Geld zu sparen, will das Land Mitarbeiter entlassen, Beamte sollen länger arbeiten. Mehrere Ämter, vor allem die für Naturschutz zuständigen, sollen verschwinden. Im Gegenzug entstehen allerdings neue Dienstleistungszentren, Lehrer- und Polizistenstellen sollen nicht angetastet werden.

„Top-Priorität“ habe der Ausbau von Schleswig-Holstein und Hamburg zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Verwaltungsregion, Bildung hat „höchste Priorität“, und der Kultur gehört wenigstens das Herz des neuen Ministerpräsidenten. Aufgelegt werden sollen ein neues Förderprogramm für den Arbeitsmarkt und „wirtschaftsnahe Infrastruktur“. Und „nachgedacht“ werde auch über das so genannte „Magdeburger Modell“, bei dem Arbeitgeber für neue Kräfte in der untersten Lohngruppe weniger Nebenkosten zu zahlen haben. In den ersten 100 Tagen will die Regierung unter anderem „unbürokratische Reduzierungskonzepte“ für „Tierarten, die gravierende Schäden verursachen“, entwickeln.

„Wir waren gespannt, nun sind wir enttäuscht“, sagte die Grünen-Politikerin Anne Lütkes in ihrer Antwortrede. Viele Punkte seien von der ehemaligen rot- grünen Regierung abgeschrieben, laufende Diskussionen oder Pläne würden einfach weiter verfolgt. Was fehle, sei hingegen eine erkennbare Programmatik. Ein großer rhetorischer Schlag allerdings gelang auch ihr nicht, obwohl sie – schließlich ist schon wieder Wahlkampf – auf die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Schwarz und Grün hinwies, etwa in der Umwelt- und der Frauenpolitik. Sehr zahm blieb Wolfgang Kubicki. Hatte der FDP-Spitzenmann vor der Landtagswahl noch des Öfteren seiner Wunsch-Koalitionspartnerin CDU verbale Tritte versetzt, erklärte er nun: „Wir werden den Teufel tun, die Regierung zu kritisieren, nur weil die Opposition das tun muss. Wir haben keine Zeit für solche Rituale.“ Vieles im Programm sei ohnehin von der FDP vorgeschlagen worden.

Das gelte allerdings nicht für die innenpolitischen Pläne von Schwarz-Rot: DNA-Analyse, Erfassung von Autokennzeichen, Rasterfahndung. Kubicki: „Den Bürgern Rechte zu nehmen, um ihre Rechte zu stärken, ist widersinnig.“

Anke Spoorendonk vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) ging auf die klassischen Themen der dänisch-friesischen Minderheiten-Partei ein: Sie warnte, den Norden Schleswig-Holsteins zu vernachlässigen, mahnte die Minderheitenpolitik an und sprach sich gegen Subventionskürzungen nach dem Rasenmäherprinzip aus. Und ein bisschen grundsätzlich wurde sie auch: „Der Glaube daran, dass die Politik die Probleme in einer globalisierten Welt in den Griff bekommt, ist vielen Menschen leider abhanden gekommen.“

Esther Geißlinger