Die Bahn fährt aus den roten Zahlen

Hartmut Mehdorn sieht sich durch die Bilanz auf seinem Kurs Richtung Börsengang bestätigt – trotz Probleme im Güterverkehr. Um die zu lösen, braucht Mehdorn die Politik. Doch ob eine neue Regierung ihn noch als Bahnchef will, ist fraglich

AUS BERLIN STEPHAN KOSCH

Regierungswechsel? Ein neuer Verkehrsminister? Womöglich von der FDP, deren Verkehrsexperte Horst Friedrich der Deutschen Bahn nicht nur das Schienennetz, sondern auch seinen Job wegnehmen will? Bahnchef Mehdorn gibt sich gelassen: Abwarten, was passiert, eine Einzelmeinung eines Politikers steht nicht für die Partei, und Opposition ist etwas anderes als Regierung – offenbar kein Grund, sich um die Bahn zu sorgen. „Wir sind kein politisches Unternehmen. Wir sind eine Aktiengesellschaft“, sagte Mehdorn.

Zwar ist diese noch voll im Bundesbesitz. Aber die Bilanz für 2004, die Mehdorn und sein Finanzvorstand Diethelm Sack gestern vorlegten, könnten als Beleg für eine größere Unabhängigkeit von Steuermitteln gelten. Denn die Bahn ist in die Gewinnzone zurückgekehrt, obwohl der Bund seit zwei Jahren keinen millionenschweren Zuschuss mehr für die Altlasten der Deutschen Reichsbahn zahlt. Und mit 253 Millionen plus fiel das Ergebnis sogar noch etwas höher aus, als die Bahn selbst geplant hat. So soll es Mehdorn zufolge weitergehen, Umsatz und Ergebnis sollen auch in diesem Jahr steigen, „2006 werden wir wie geplant die Schwelle zur Kapitalmarktfähigkeit erreichen“.

Bis dahin müssen die Bahn-Manager aber noch zwei Baustellen in den Griff bekommen. Zum einen den Personenfernverkehr, der im vergangenen Jahr 260 Millionen Euro Minus eingefahren hat. Im Vorjahr hatte das Defizit noch bei 456 Millionen Euro gelegen. Für Mehdorn belegt das eine „Trendwende“, 2006 soll das Segment wieder aus den roten Zahlen sein. Dabei helfen sollen weiterhin Schnäppchen-Aktionen wie jüngst das „Frühlings-Spezial“. Der Ticket-Verkauf bei Lidl soll hingegen eine einmalige Werbeaktion bleiben.

Noch größer sind die Probleme im Schienengüterverkehr, der 15 Millionen Euro Minus verbuchte – und das wird sich in diesem Jahr noch vergrößern, sagte Sack. Die Gegenmaßnahmen der Bahn: den Rangierbetrieb „verschlanken“ und weniger Kosten produzieren. Das werde zu „Verschiebungen in der Belegschaft führen“, sagte Mehdorn. Konkrete Zahlen zum Stellenabbau wollte Mehdorn aber nicht nennen.

Um aber tatsächlich mehr Güter auf die Schiene zu bringen, müssten sich auch die politischen Rahmenbedingungen ändern. Eine Verdoppelung der Lkw-Maut würde den Preisdruck erhöhen und die Güterzüge konkurrenzfähiger machen. Rechtsverstöße im Straßengüterverkehr müssten stärker geahndet und der Tanktourismus nach Polen oder Österreich durch Ausgleichszahlungen weniger attraktiv gemacht werden.

Ein weiterer Risikofaktor für die Bahnbilanz der kommenden Jahre sind die steigenden Energiepreise. Die weltweiten Markteinflüsse werden durch steuerliche Regelungen, wie der Befreiung des Flugverkehrs von Mineral- und Ökosteuer, noch verschärft. „Sollte diese Entwicklung anhalten, werden wir reagieren müssen“, sagte Mehdorn mit Blick auf mögliche Fahrpreiserhöhungen. Diese wären zu vermeiden, wenn sich die Rahmenbedingungen änderten.

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