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Archiv-Artikel

die taz vor 15 jahren: finken, hinken, doppelpässe – die brutalität des fußballspiels

Gelingt es mir noch manchmal bei gerade erlebtem Fernseh-Fußballabend den ganzen Finanzmammon (Tribünenplatz DM 50,–) zu vergessen, so läßt sich doch die ganze Brutalität dieser Sportart angesichts der in Zeitlupe sadistisch vorgeführten Fouls, der angenähten Zunge, der bandagierten Schenkel, fitmachenden Spritzen und Sprays und der geheimnisvollen Köfferchen und Wässerchen nicht mehr verdrängen.

Guckt man sich die Sache einmal genauer an, so sieht man, daß die Kickerei an der Spitze in der Unfallhäufigkeitstabelle liegt. Dies trifft Profis wie Freizeitkicker gleichermaßen, letztere treiben sogar noch unter viel schlechteren Bedingungen (Hartplatz, Härte ersetzt Können) ihr Spielchen. So sind bei den Freizeitkickern auch 25 Prozent aller Verletzungen Knochenbrüche (ohhhhh…knacks), bei den Bundesligaspielern reduziert sich der Anteil auf 3 Prozent.

Sprüche wie: „Du wirst sowieso gleich ausgewechselt, du Flasche“, „Komm her, du fette Sau“, „Mein Name ist Finken, und du wirst gleich hinken“, sind da an der Tagesordnung.

Daß gerade der Spitzensport mit seinem Leistungsstreß der kürzeste Weg zum Frührentnertum ist, kann man an der Verletzungsliste der Altstars Seeler und Netzer ablesen, die sich allerdings von der Masse der unsichtbaren zahlreichen Sportinvaliden dadurch abheben, daß sie von den Sportärzten immer wieder für die Spiele noch zusammengeflickt werden konnten.

Vier Meniskusoperationen und 55 Punktierungen gelten als normales Berufsrisiko. Angesichts dieses Gemetzels und der Menschenschinderei frag’ ich mich natürlich, ob ich weiter die Glotze anschalten soll, will ich doch eigentlich auch nur ein paar gut geschlagene Pässe und trickreiche Kombinationen sehen.

Und was sagt Papst Paul VI. dazu? „Junge Athleten, seid Boten, seid Missionare, seid Apostel des Friedens.“ „Du altes Dreckschwein!“ (Overath zu Siemensmeyer) BERND GESSER