piwik no script img

Archiv-Artikel

Äußerlich unauffällig

Erdgasfahrzeuge unterscheiden sich optisch nicht von ihren Geschwistern, die mit Benzin oder Diesel fahren. Ebenso wie ihre Pendants werden sie mit Ottomotoren betrieben. Die Unterschiede liegen im Detail und wirken sich im Fahralltag nicht aus

VON KLAUS LEONARD

Auf den ersten Blick könnten es auch Benziner oder Dieselfahrzeuge sein. Mit Erdgas betriebene Fahrzeugmodelle unterscheiden sich äußerlich nicht von ihren Geschwistern mit herkömmlichem Antrieb. Und deshalb fällt es auch nicht auf, dass sie sich zügig vermehren. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes ist die Zahl der mit Erdgas betriebenen Fahrzeuge im Jahr 2004 um gut 42 Prozent (Vorjahr 33 Prozent) auf über 27.000 Fahrzeuge gestiegen. Der Bestand an monovalent betriebenen Pkws, die für den Erdgasbetrieb optimiert sind und lediglich über einen Benzinnottank verfügen, hat sich dabei verdoppelt. Insgesamt ist das Land Berlin bei den Neuzulassungen Spitzenreiter. Dort wurde im abgelaufenen Jahr bereits jeder 250. neue Pkw mit Erdgasantrieb zugelassen.

„Ein deutliches Signal, dass die Anstrengungen der deutschen Gaswirtschaft beim Ausbau des Erdgastankstellennetzes bereits jetzt einen praxistauglichen Betrieb von mit Erdgas betriebenen Fahrzeugen ermöglichen“, so Albert Kobbe, Projektleiter Erdgasfahrzeuge beim Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e. V. (BGW), Berlin. „Besonders das engmaschige Netz in Berlin, Thüringen und Nordrhein-Westfalen zeigt, wohin die Fahrt geht. Denn die Neuzulassungsrate von mit Erdgas betriebenen Fahrzeugen ist dort bereits doppelt so hoch wie in Bayern oder Baden-Württemberg.“

Auch die Modellpalette wird ständig erweitert: Über 30 verschiedene Typen – vom Pkw bis zum schweren Nutzfahrzeug – werden von Automobilherstellern angeboten. Diese Zahlen erfreuten die deutsche Gaswirtschaft: Bis 2010 rechnen deren Vertreter mit einem Anstieg auf rund 360.000 Erdgasfahrzeuge in Deutschland. Der Abschlussbericht der Kontaktgruppe „Alternative Antriebe“ der Europäischen Kommission weist in die gleiche Richtung. Ein Ergebnis des Berichts: Erdgas sei der einzige alternative Kraftstoff, der bis 2020 deutlich mehr als 5 Prozent Marktanteil erreichen könne.

Beide Prognosen basieren unter anderem darauf, dass die Technik mittlerweile alltagstauglich ist. Auch bei der Handhabung und Wartung machen sich für die Nutzer im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen keine Besonderheiten bemerkbar, die vor einem Umstieg abschrecken. Das Motorprinzip eines Erdgasfahrzeugs unterscheidet sich ohnehin kaum von einem Auto mit herkömmlichem Antrieb. Auch ein Erdgasmotor funktioniert nach dem Otto-Prinzip, hat Zündkerzen und einen Drei-Wege-Katalysator. Hinzu kommen die Druckgasbehälter, Druckregler, Einspritz- und Rückschlagventile sowie eine elektronische Motorsteuerung. In den Zylindern wird statt eines Benzin-Luft-Gemisches ein Erdgas-Luft-Gemisch verdichtet, entzündet und verbrannt.

Beim Tanken fließt das Erdgas vom Speicher der Tankstelle in den (oder die) Druckgasbehälter des Fahrzeugs. Von dort strömt das Gas durch ein multifunktionales Sicherheitsventil, das zum Beispiel im Falle eines Unfalls die Gaszufuhr zum Motor automatisch unterbricht, in den Hochdruckregler. Hier wird der Speicherdruck des Erdgases von rund 200 bar auf 7 bar verringert. Eine spezielle Filtereinheit, die dem Hochdruckregler nachgeschaltet ist, verhindert, dass etwaige Verunreinigungen im Erdgas die Gasdosiereinheit verschmutzen. Deren computergesteuerte Magnetventile dosieren die benötigte Erdgasmenge entsprechend den Anforderungen – zum Beispiel: Teillast- oder Volllastbetrieb. Durch eine sequenzielle Gasdosierung wird der Gasfluss zentral verteilt. So kann das Erdgas in jeden Ansaugtrakt getrennt eingeblasen werden. Damit wird eine optimale Verbrennung gewährleistet. Der Nutzen: größtmögliche Ausnutzung des Kraftstoffs und geringstmögliche Emissionen. Im Ansaugtrakt verwirbelt das Erdgas mit der Ansaugluft, und das Gemisch verbrennt wie bei einem herkömmlichen Ottomotor.

Erdgasfahrzeuge werden in zwei verschiedenen Versionen angeboten: bivalent oder monovalent. Bivalente Fahrzeuge können sowohl mit Erdgas als auch mit Benzin fahren. Ist der Gasvorrat erschöpft, schaltet der Motor während der Fahrt automatisch auf Benzinantrieb um. Der Fahrer merkt davon nichts. Durch die beiden Tanks erhöht sich die Reichweite des Fahrzeugs beträchtlich. So bekommt der Erdgasautofahrer keine Probleme, falls die nächste Erdgastankstelle nicht in Sicht ist. Monovalente Fahrzeuge werden nur mit Erdgas betrieben oder haben einen Nottank mit bis zu 15 Litern Benzin. Der Motor kann in diesem Fall besser auf den Erdgasantrieb abgestimmt werden. Der Vorteil: Es wird weniger Kraftstoff verbraucht und auch die Schadstoffemissionen sind geringer.

Die Motorpflege unterscheidet sich nicht von der eines benzinbetriebenen Fahrzeugs. Erdgasmotoren erfordern zwar hochtemperaturfeste Materialien (Ventilsitz, Ventilschaft). Andererseits sind sie wegen der hohen Abgastemperaturen wartungsärmer, weil sie keine Rückstände und somit keinen Abrieb aus verbranntem Dieselkraftstoff aufweisen. Das heißt unter anderem: Ölwechsel sind seltener nötig. Ein Erdgasfahrzeug muss aber ebenso regelmäßig gewartet werden wie jedes andere Auto auch. Grundsätzlich kann jede Werkstatt die Fahrzeuge warten und in Stand halten. Für die Wartung der erdgasspezifischen Systemkomponenten muss aber ausgebildetes Fachpersonal herangezogen werden. Die Wartungsintervalle und der Umfang der Arbeiten stehen in der Zusatzbetriebsanleitung eines Erdgasfahrzeugs. Hersteller und Umrüster geben ebenfalls Auskunft.