: Wenn die „Welterbe“-Torte schon aufgegessen ist
Aus familiären Gründen geht’s letzten Samstag mal wieder nach Schwerin. Ach, ich liebe die Stadt, das tolle Schloss, die Altstadt, die elf Seen … Kurz vor Ankunft wird in den 15-Uhr-Nachrichten im Autoradio verkündet, dass in Neu-Delhi eine Entscheidung gefallen ist, und ganz Schwerin aus dem Häuschen sei: Das Residenzensemble der Stadt wurde in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen. Großer Auflauf vorm Rathaus, Jubel und Beifall – und eine „Welterbe“-Torte, die nun angeschnitten wird. Schwerin hat etwas zu feiern.
Doch die Freundin, bei der mein Mann und ich übernachten, weiß noch von nichts. „Meine Stadt Welterbe?“, fragt sie. „Dann kommen ja noch mehr Touristen.“ Die brauche kein Mensch, schon gar nicht jene, die mit Kreuzfahrtschiffen anreisen und von der Küste für ein paar Stunden herangekarrt werden, um die pittoreske Altstadt zu fluten.
Schwerin
98.600 Einwohner*innen,
hat aus DDR-Tagen einen Fernsehturm: 131 Meter hoch, ging er 1964 in Betrieb, ist aber nicht mehr öffentlich zugänglich, seit Im Jahr 2017 das Café hoch oben geschlossen wurde – aus wirtschaftlichen Gründen.
Wir also hin zum Markt in der Altstadt, wo es Torte geben soll. Aber zu spät: Nichts Süßes, kein Jubel, dafür eine leere Bühne mit dem riesigen Schriftzug: „Wir sind Welterbe“. Hm, da kehren wir eben in unser Lieblingscafé ein. „Welterbe?“, sagt der Wirt ironisch lächelnd. „Na, die werden sich umgucken, wenn hier um 18 Uhr die Gehsteige hochgeklappt werden.“ Andreas Hergeth
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen