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Wenn die Schokolade von anderen gegessen wird

Eine Frau hockt in einer Neuköllner Aldi-Filiale vor dem Schokoladenregal. Ganz unten sind die Fächer leer. Die Frau wirkt traurig, sie schaut hoch zu mir und fragt: „Warum gibt es seit einer Woche keine Nussbeisser mehr?“ Jedes Jahr, immer zu dieser Zeit, passiere dasselbe: Sie stehe im Supermarkt und die Nussbeisser seien ausverkauft. Sie verstehe das überhaupt nicht, sagt sie. „Ist denn die Schokoladenproduktion auch im Sommerurlaub?“, fragt sie weiter – „Ein Nussbeisser-Sommerloch?“

„Wissen Sie, das sind die Türken“, antworte ich. Auch ich bin enttäuscht darüber, dass ich es nicht rechtzeitig geschafft habe, eine der Nussschokotafeln zu ergattern. „Jedes Jahr in den Sommerferien fahren sie in die Türkei, in den Urlaub, und bringen ihren Verwandten Geschenke aus Deutschland mit: neben Nescafé, Egetürk-Wurst eben auch Nussbeisser“, erkläre ich ihr. „Und das ist der Grund, warum es im Sommer immer diesen Nussbeissermangel gibt.“

Berlin-Neukölln

163.700 Ein­wohner*innen.

Die Würste von Egetürk – Sitz des Unternehmens ist Köln – finden sich nicht bei Aldi Nord. Dafür muss man schon in einen türkischen Supermarkt, die es reichlich gibt in Neukölln.

Inzwischen steht die Frau mir gegenüber. Sie nickt, schaut in das leere Regal: „Also haben die Türkei-Türken gar keine Schokolade? Mensch, ist das traurig.“ Derya Türkmen