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Archiv-Artikel

DDR-gestählte Strategin

VON SIBYLLE PLOGSTEDT

„Frauen sind wie Teebeutel. Du weißt nicht, wie stark sie sind, bis du sie ins heiße Wasser tauchst.“ Diesen Satz Hillary Clintons für Teetrinker und Frauengenießer hat Angela Merkel herausgehoben, als der US-Senatorin in diesem Jahr der Medienpreis in Baden-Baden verliehen wurde. Der Satz könnte als Motto über dem politischen Leben von Angela Merkel stehen.

Es scheint, dass der Tee weitaus stärker geworden ist, als man es Helmut Kohls „Mädchen“ zugetraut hätte. Vor allem die DDR-gestählte Eigenschaft, nach außen Positionen zu vertreten, die nicht notwendig die eigenen sind. Der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, und Exbundesminister Günther Krause sagten mir, befragt zu den Webfehlern der deutschen Einheit: „Warum fragen Sie nicht Angela Merkel, die ist doch damals auch dabei gewesen. Die fragt niemand.“ Stimmt. Weil Merkel eben nur dabei war. Scheinbar.

Ja, Merkel war dabei. Zum Beispiel als Rita Süssmuth von ihrer offensiven Arbeit im Frauen- und Familienministerium an die Spitze des Bundestags hochgelobt und wegbefördert wurde. Angela Merkel profitierte davon. Gelassen und kompetent hat Merkel auch das Thema Rio plus 10 hinter sich gebracht, als sie Klaus Töpfer im Umweltministerium beerbte. Merkel trug aktiv zur Demontage von Helmut Kohl bei. Und als sein Nachfolger Wolfgang Schäuble an CDU-internen Intrigen scheitert, ist Merkel ganz zufällig wieder da, übernimmt das Amt der Vorsitzenden. Mit demselben unverbrauchten, mädchenhaften Lächeln. Jeder Aufstieg, jedes Amt ist ja das erste Mal.

Frauen setzen sich in einer konservativen Partei offenbar leichter an die Spitze als in linken. Härte und nehmerische Qualitäten werden mit der Quote weniger trainiert.

Auch Maggie Thatcher kam ohne Quote durch. Frauenpolitik hat Thatcher nie gemacht. Im Gegenteil. Auch Merkel wird das nur tun, wenn es ihr nützt. Die Landesregierungen der CDU mit ihren Gruppenbildern mit ein bis zwei Damen, die Abschaffung von Frauenministerien, Gleichstellungsstellen und die Streichung der Gelder für Frauenhäuser sprechen eine eindeutige Sprache. Die CDU hat eine überwiegend männliche Klientel. Eine Kanzlerin Merkel wird die bewusst bedienen.

Ist Merkel denn vergleichbar mit Thatcher? Die britischen Feministinnen wunderten sich, warum Thatcher unter Männern stets als besonders weiblich galt. Thatcher war damals die Super-Nanny der Briten. Englische Männer waren als Kinder einst von den Nannis mit Rohrstöcken traktiert worden. Kein Wunder, dass sie Thatcher als weiblich empfanden.

Merkel ist, anders als Thatcher, keine befehlsgewohnte Oberschichtfrau, sondern – ganz DDR-Frau – gewohnt, Nelken angesteckt zu bekommen, ohne die Arbeiterblume je für das Ganze zu nehmen. Davor schützte sie ihr kirchlicher Hintergrund. Sie hat gelernt mitzureden, ohne ihre eigenen Interesse zu früh zu zeigen. Überall dabei, ist sie fast wie die typische „Frau an seiner Seite“. Sie weiß, wann die Zeit reif ist. Sie wartet ab, ohne ihre Zeit zu verwarten. Merkel ist ein phänomenales strategisches Talent. Als Stoiber vor drei Jahren das Rennen um die Kanzlerkandidatur machte, war noch zu erkennen, wie schwer Merkel der Verzicht fiel. Sie selbst befürchtete damals, den Zeitpunkt falsch gewählt zu haben. Dabei war Stoiber damals zu früh dran. Merkel, trainiert durch die DDR, hat warten können, bis die Chance kam. Nun scheint sie da zu sein. Ob Merkels konservative Teezeremonie friedlich verläuft, hängt von ihrem Geschick ab, die einzubinden, die eigentlich keine Teebeutelfans sind. Und davon, wie lange der Teebeutel weiter im heißen Wasser zieht und ab wann er bitter wird.