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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Falls das Alphatier Stoiber Probleme damit haben sollte, unter einer Frau Minister zu sein, muss man ihm suggerieren, ihm könne es straußoid wurscht sein, wer unter Superminister Stoiber Kanzlerin ist. Lafontaine fiel da auch drauf rein

Von SR
Der Opposition ist zu wünschen, noch lange unverbindlich gut aussehen zu dürfen, bevor der Sachzwang des Regierens sie standrechtlich entzaubert

taz: Was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Fundamentales wie die Verfassung der Europäischen Union wird als geheime Kommandosache behandelt, ein Aspekt wie der Türkeibeitritt zur EU gen Volksabstimmung hochgejuxt – verlogen.

Was wird besser in dieser?

Vielleicht hat irgendwer Langeweile und regiert mal ein bisschen.

Morgen wird Merkel Kanzlerinkandidatin. Wem geschieht das recht?

Ihr.

Gibt es denn gar keine Alternative in der CDU?

Niemanden von dem strategischen Geschick einer Merkel. Stoiber bei einer verlierbaren Wahl den Vortritt zu lassen, um zum Trost Merz abschießen zu dürfen, stellt sich im Nachhinein als genialischer Schachzug heraus. Schäuble wurde mehrfach (Berliner Bürgermeister, Fraktionschef usf.) mit nebulösen Drohungen gemobbt, Rüttgers ist zu frisch, Müller zu klein, Koch zu einseitig. Lediglich Wulff hat mehr Charisma und weniger Polarisierendes als Merkel. Nur – ein Königinnenmord würde das humane Wulff-Image, das ihn ihr überlegen macht, ruinieren. Er muss warten, bis er gebeten wird. Also: Merkel.

Was macht Stoiber? Ein Alphatier, das sich einer Frau unterordnet, ist kaum vorstellbar.

Kann man Stoiber suggerieren, ihm könne es straußoid wurscht sein, wer unter Superminister Stoiber Kanzlerin sei? Lafontaine fiel drauf rein.

Wie lange wird Merkel durchhalten, bis ihr die nach der NRW-Wahl übermächtigen CDU-Ministerpräsidenten den Dolchstoß versetzen?

Merkel verfolgt mit viel Gespür aus der Deckung Meinungsbildung, um dann auf den Zug aufzuspringen, der Erfolg verheißt. Beispiel: Ein paar Ministerpräsidenten werden sich bald mit Forderungen nach einer Mehrwertsteuererhöhung vorwagen – von jedem Euro MwSt bekommen die Länder rund die Hälfte. Damit machen sie sich hübsch unbeliebt, und anschließend bekommt Merkel unter lautem Zähneknirschen, was sie im Grunde eh braucht und will. Sie wird einiges von dem Sachzwang, den Regieren mit sich bringt, bei anderen abliefern.

Und wer wird dann Kanzlerin? Koch oder Wulff?

Auch Kohl kam ins Kanzleramt durch den Bonus, dass alle ihn unterschätzten. Dahin zielt auch diese Frage.

Es heißt, jede Partei muss in diesen Zeiten eine Politik machen, für die Sie nicht wiedergewählt werden wird. Ist das die heimliche Taktik von Schröder?

Ich erkenne nur unheimliche Taktik, nämlich Handeln nach dem „Mir war halt danach“-Prinzip. Für die Neuwahlvolte gab es weder Willensbildung noch wenigstens sorgfältige Absprache der Koalitionsparteien. Und keine Exitstrategie für die heikle verfassungsrechtliche Frage. Der Wahlslogan „Aus der Hüfte – in die Hose“ mit der Unterzeile „Für und gegen Hartz IV – SPD“ ist nicht ganz perfekt, um die Opposition zu stellen. Die wird durchrüttgern bis zum Wahltag, und Schröder hat nichts in der Hand, sie zu Festlegungen zu zwingen, bevor sie regiert.

Wer sind das eigentlich für Menschen, die sich eine Neuauflage von Rot-Grün wünschen?

Eine Frau und Ostdeutsche als Chefin, schwule Ministerpräsidenten und Vizekanzler, Meinungsvielfalt von Manchester-Kapitalismus über Kirchentag bis Globalisierungsskepsis: Sieben Jahre Rot-Grün haben die Völkisch-Konservativen unter erheblichen kulturellen Wettbewerbsdruck gesetzt. Vom aktuellen Erscheinungsbild her ist der Opposition dringend zu wünschen, noch lange unverbindlich gut aussehen zu dürfen, bevor der Sachzwang des Regierens sie standrechtlich entzaubern wird.

Joschka Fischer will für den Wahlkampf wieder abnehmen. Ist ein neuer Lauf zu ihm selbst irgendwie wahlentscheidend?

Es wirkt ein bisschen wie ein Greatest-Hits-Album alternder Popstars.

Und wie läuft es bei Borussia Dortmund?

Wir fühlen mit unseren Gelsenkirchener Freunden … zweimal Vize, das ist sicher ganz schön bitter … (bricht kichernd ab)

FRAGEN: SR