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Archiv-Artikel

Alstom Mannheim kämpft ums Überleben

Bei dem Turbinenbauer stehen 900 Stellen auf der Kippe. Betriebsrat und Gewerkschaft rufen zu Protesten auf

BERLIN taz ■ Der morgige Dienstag ist für viele Mannheimer ein Schicksalstag. Denn da will die Führung des französischen Energietechnikkonzerns Alstom sich öffentlich zu ihren Plänen mit dem Werk in Mannheim-Käfertal erklären. Für heute haben Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall deshalb noch einmal zu einer bundesweiten Demonstration in der Innenstadt aufgerufen. Forderung: Alstom solle auf den geplanten Abbau von bis zu 900 Arbeitsplätzen verzichten, die nur noch bis 2007 durch eine innerbetriebliche Vereinbarung geschützt sind. Die Konzernleitung will die Zahl der Mitarbeitenden danach fast halbieren: Das Werk sei zu schwach ausgelastet.

Betriebsrat Udo Belz hält diese Begründung für aufgesetzt. Immerhin habe die Belegschaft deshalb schon einem harten „Überwinterungskonzept“ mit Kurzarbeit, Arbeitszeitreduzierung und Lohnabzug zugestimmt. Für die nächsten Jahre sei das Ende der Auftragsflaute absehbar. „Wir werden hier politisch benutzt“, sagte Belz der taz.

Tatsächlich geht es um den radikalen Umbau des kriselnden Konzerns, an dem der französische Staat die Aktienmehrheit hält. Schon im letzten Juli rettete ihn nur eine von der EU-Kommission genehmigte Finanzspritze der französischen Regierung in Höhe von 3,2 Milliarden Euro. Bis dahin hatten die Alstom-Manager immer selbst auf Zukauf und Wachstum gesetzt. Der Konzern sollte zum „nationalen Champion“ werden. Auf dem Weg dorthin schloss sich der Konzern, der vor allem durch den Bau von Atomkraftwerken, Kreuzfahrtschiffen und des Superzuges TGV bekannt wurde, mit anderen Branchenriesen des europäischen Kraftwerksanlagbaus zusammen.

Im Jahr 2000 fusionierte Alstom schließlich mit dem ABB-Konzern, zu dem auch das Werk in Mannheim-Käfertal gehörte. Mit den dort gebauten konventionellen Kraftwerksanlagen wollte man vor allem vom weltweiten Gasturbinengeschäft profitieren. Die Rechnung ging nicht auf. Mitte 2001 hatte Alstom einen Börsenwert von mehr als 6 Milliarden Euro, drei Jahre später waren davon 900 Millionen übrig.

Das schlägt nun auf die Mannheimer zurück: „Der Generatorenbau, der Wasserkraftwerksbau, selbst die Hochtemperaturbeschichtung von Gasturbinen – ein absoluter High-Tech-Bereich –, alles soll stillgelegt werden“, so der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Raph Eschmann. Und wenn keine Komplettlösungen mehr angeboten werden könnten, drohe auch den übrigen Werksteilen das Aus. Die Beschäftigten befürchten, dass sich Alstom ganz aus der Kraftwerksfertigung in Deutschland zurückziehen will, um globale Überkapazitäten auszugleichen.

Die heutigen Aktionen werden von allen vierzehn deutschen Alstom-Werken unterstützt. Delegierte der insgesamt etwa 7.000 deutschen Alstom-Mitarbeiter wollen ebenso dabei sein wie Beschäftigte aus anderen Mannheimer Industriebetrieben. ARNULF WIESCHALLA