: Busfahrer steuern ins Leere
Trotz arbeitsloser Berufskraftfahrer schult das JobCenter Dortmund gemeinsam mit den Stadtwerken ältere ALG-II-EmpfängerInnen zu diesen Job um. „Die planen am Markt vorbei“, sagen Kritiker
VON NATALIE WIESMANN
Dortmund bildet ältere Langzeitarbeitslose zu Busfahrern aus – obwohl kein Bedarf besteht. Andre Stamenkovic, arbeitsloser Busfahrer aus Essen, kann das nicht fassen. „Die planen doch wieder total am Markt vorbei“, sagt er wütend.
Vergangene Woche hätte Stamenkovic in der taz ruhr gelesen, dass das Dortmunder JobCenter in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe und den Stadtwerken Dortmund ab Ende Juni 30 Langzeitarbeitslose ausbildet. Die Stadtwerke hatten außerdem angekündigt, einige der TeilnehmerInnen zu übernehmen. „Ich habe daraus geschlossen, dass es freie Stellen gibt“, so Stamenkovic. Als der 53-Jährige dann bei den Stadtwerken anrief, wurde er abgewiesen: Es würde kein Fahrpersonal benötigt. „Ich habe von einer regelrechten Busfahrerschwemme gehört“, sagt Stamenkovic, der seit Juli 2004 einen neuen Arbeitsplatz sucht. Auf seine 75 Bewerbungen in ganz Nordrhein-Westfalen hat er trotz seiner mehrjährigen Berufserfahrung keine Resonanz erhalten.
Peter Pierakowski, Mitarbeiter des privaten Busfahrunternehmen Pollak in Schermbeck bei Dorsten, kann bestätigen, dass die Zahl an Bewerbungen steigt. „Allein seit Anfang des Jahres haben wir mehr als 100 schriftliche Bewerbungen erhalten, das sind viel mehr als früher“. Dazu kämen noch mindestens drei arbeitslose BusfahrerInnen pro Tag, die sich direkt vorstellten. Er muss die BewerberInnen leider enttäuschen: „Einstellen können wir zurzeit niemanden“. Die Firma Pollak setzt ihre Linienbusse im gesamten vestischen Straßenbahngebiet ein – dort werden zurzeit Linien dicht gemacht, die sich nicht rentieren. „Wieso die Arbeitsagenturen trotzdem Busfahrer ausbilden, ist Pierakowski ein Rätsel.
Die ARGE Dortmund, die als Arbeitsgemeinschaft von Stadt und Agentur für Arbeit die Harz IV umsetzt, sieht das Projekt nicht als Fehlplanung. „Es gibt in jedem Bereich viele Arbeitslose“, sagt Daniela Karlic, Sprecherin der ARGE. Unter den Berufskraftfahrern, zu denen die Busfahrer gehören, seien in Dortmund zurzeit mehr als 1.700 Männer und Frauen auf Jobsuche. Die Dortmunder Stadtwerke (DSW) und das Bildungswerk hätten aber bereits im Jahr 2000 gute Erfahrungen gemacht mit der Qualifizierung von arbeitslosen Frauen, so Karlic.
„Wir konnten einen großen Teil der Busfahrerinnen entweder bei uns oder bei anderen Unternehmen unterbringen“, bestätigt Bernd Winkelmann, Pressesprecher der Stadtwerke. Deshalb glaube er auch an den Erfolg der neuen Maßnahme. Es gäbe zwar zurzeit keine offenen Stellen in seinem Unternehmen, „aber wir stellen jedes Jahr etwa 20 Busfahrer und Busfahrerinnen ein“, sagt er. Nur dürften die normalerweise nicht älter als 40 sein, rechtfertigt er die Abweisung von Andre Stamenkovic. Anders sei das bei dem gemeinsamen Projekt mit der Dortmunder ARGE. „Wir wollen gemeinsam die Chancen der Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen“, sagt Winkelmann. Wie viele von den Arbeitslosengeld II-Empfängerinnen die Stadtwerke selbst übernehmen werden, sei noch nicht festgelegt worden. „Wenn sich genügend Menschen als Busfahrer eignen, könnten wir bis zu zehn oder fünfzehn einstellen“. Eine Übernahmegarantie gebe es jedoch nicht.
Jeder Busfahrer, der bei den Stadtwerken anfängt, durchläuft unabhängig von der Vorbildung eine vier bis fünfmonatige Ausbildung. „Das kostet uns natürlich einiges“, sagt Winkelmann. Rentabler ist dagegen die Ausbildung der ALG II-EmpfängerInnen: Die Kosten dafür übernimmt die ARGE.