: Münchner Malaise
FEHLSTART Mätzchen, Systemfehler und ein verunsicherter Kader: Der FC Bayern beginnt die Saison so schlecht wie lange nicht mehr. Selbst Klinsmanns Bilanz nach drei Spieltagen war besser als die von Luis van Gaal
Miroslav Klose
AUS MAINZ FRANK HELLMANN
Es gibt gewiss luxuriösere Kabinen in der Liga als jene im Mainzer Bruchwegstadion. Gerade die Gäste müssen mit einem sehr beengten Bereich auskommen. Doch Uli Hoeneß, Karl Hopfner und Karl-Heinz Rummenigge, die versammelte Vorstandschaft des FC Ruhmreich, störten sich an diesem für einen Rekordmeister entwürdigenden Nachmittag an ganz anderen Dingen. Während draußen der Karnevalsverein sich noch ewig dem „Humba-Täterä“ hingab, fiel drinnen rasch die graue Tür zu: Manager Hoeneß hatte mit grimmiger Miene jeden der eintretenden Versager mit dem bösen Blick gestraft, während Vorstandschef Rummenigge auf seinem Handy tippte. Hernach soll es innerhalb des Triumvirats zum ersten spontanen Krisengespräch dieser fatal angelaufenen Saison gekommen sein. „Wir haben lange diskutiert“, gab der AG-Chef später schmallippig zu, der eingedenk von zwei Punkten aus drei Spielen von „keiner befriedigenden Situation“ sprach, dann von „einer gefährlichen Situation.“ Das trifft es nach dem 1:2 (0:2) beim FSV Mainz 05 und dem schlechtesten Bundesliga-Start seit 43 Jahren wohl eher. „Wir müssen schnell die Kurve kriegen.“ Was Rummenigge so einfach sagt, wird schwer genug.
Unter dem neuen Trainer Luis van Gaal spielte der FC Bayern eine Halbzeit lang noch schlechter als in schlechten Klinsmann-Zeiten; ließ sich in einer dreiviertelstündigen Lehrzeit am Nasenring durchs Mainzer Tollhaus führen. Es stellte sich die unweigerlich Frage, warum ein unbekannter Trainer-Novize wie Thomas Tuchel es schafft, eine Mainzer Mannschaft mit limitierten Möglichkeiten taktisch exzellent zu schulen, während das Münchner Starensemble des dekorierten Fußballlehrers van Gaal über den Rasen irrlichterte wie Kids am ersten Tag einer Fußballferienschule. „Wir dürfen nicht so anfangen, wie wir angefangen sind. Es ja nicht so, dass wir nicht fußballern können“, stammelte der Niederländer. „Das war sehr enttäuschend. Ich frage mich auch, was in der Vorbereitung falsch gelaufen ist.“ Seine Kicker kamen erst auf Touren, als beschwingten Mainzern die Luft ausging. Und da war es nach den Toren von Andreas Ivanschitz (25.) und Aristide Bancé (37.) schon zu spät. Dass Michael Rensing beim 0:1 mal wieder patzte, passt ins disharmonische Bayern-Bild. „Da sehe ich sicher nicht gut aus“, erklärte Rensing. „Das war absolut desolat. So reicht es nicht.“ Nicht für den Ballfänger, nicht für den Branchenführer, der nun nächsten Samstag den in jeder Hinsicht enteilten Meister VfL Wolfsburg erwartet – zum Spitzenspiel mit Krisencharakter.
Facetten und Ursachen der Münchner Malaise sind vielschichtig: Sie reichen von der Personalpolitik bis zum Trainer; vom Torwart bis zum Angriff. Die Nationalstürmer Mario Gomez und Miroslav Klose hatten ihren stärksten Auftritt, als sie im Dickicht der Mikrofone verbale Volltreffer anbrachten. „Es hapert irgendwo“, flüsterte Klose, „jeder ist nicht so dabei, wie er sich das vorstellt.“ – „Das Bewusstsein, die besseren Fußballer zu sein, hat uns dazu verführt, weniger zu laufen“, befand Gomez. Philipp Lahm, der einen ähnlich hochroten Kopf wie der eisern schweigende Hoeneß bekommen hatte, verspürte deshalb wenig Lust, über systemtaktische Änderungen – erstmals ein 4-2-3-1-System – zu schwadronieren. „Es war keine Frage des taktischen Verhaltens, uns hat Laufbereitschaft und Aggressivität gefehlt“, giftete Lahm, ehe er zum Bus schlappte – und vielleicht darüber nachdachte, wie die einstige linke Paradeseite zur Problemzone mutiert ist – weil van Gaal dort erstmals (und hoffentlich nie wieder) Edson Braafheid und Danijel Pranjic aufstellte. Und wer sah, wie vergeblich die Doppel-Sechs mit dem noch nicht integrierten Anatolij Timoschtschuk und dem überforderten Bastian Schweinsteiger um Ordnung bemüht war oder wie unsicher der Novize Holger Badstuber in der Innenverteidigung wirkte, dem erschließen sich die Abgänge der Brasilianer Zé Roberto und Lucio bis heute nicht. Ohne Not ist der bayerische Kader eine Baustelle geworden. Und dabei ist noch nicht mal berücksichtigt, dass dort Franck Ribéry mit nervenden Mätzchen und notorischer Unzufriedenheit auch noch als Saboteur unterwegs ist.