: Ein Schwermetall fürs Blutbild
Frauen werden oft Eisenpräparate empfohlen. Doch häufig sind diese nutzlos. Eisenmangel kann auch ein Hinweis auf eine Entzündung sein
Eigentlich haben Schwermetalle im Essen kein positives Image, doch beim Eisen verhält es sich anders. Denn es bildet den Kern des Blutfarbstoffs Hämoglobin, das für den Sauerstofftransport im Körper zuständig ist. Da klingt es beruhigend, dass Eisen mit einem Anteil von fünf Prozent das präsenteste Schwermetall unserer Erdkruste bildet und dementsprechend massiv in unseren Lebensmitteln vertreten ist, vor allem in Fleisch.
Doch offenbar scheint das nicht auszureichen. Hört man Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation, dann grassieren überall Eisenmangel und Blutarmut (Anämie), auch in Deutschland. Besonders hart sollen Frauen betroffen sein, weil sie mit Schwangerschaft und Monatsregel große Mengen des Metalls verlieren. Der Berufsverband der Frauenärzte warnt, dass in Deutschland fast jede zweite Frau an Eisenmangel leidet.
Kein Wunder, dass Eisenpräparate zu den Standardverschreibungen der hiesigen Ärzteschaft gehören und auch rezeptfrei mit Millionenumsätzen verkauft werden. In jüngerer Zeit mehren sich jedoch Zweifel, ob diese flächendeckende Supplementierung wirklich so sinnvoll ist.
So erklärt das Bundesamt für Risikobewertung, dass sich „Hinweise für eine Eisenmangelanämie lediglich bei 0,6 Prozent der Bundesbürger“ finden ließen. Das ist wenig, und die tatsächliche Zahl muss sogar noch geringer eingeschätzt werden, weil ja das Bundesamt betont vorsichtig von „Hinweisen“ und nicht von klar diagnostizierten Befunden spricht. Im Umkehrschluss heißt dies, dass Beschwerden wie Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsschwäche, Gesichtsblässe und spröde Haare, die gern als typische Symptome der Eisenmangelanämie gedeutet werden, in der Regel eine Ursache jenseits von Blut und Eisen haben.
Zweifel sind auch an der routinemäßigen Verschreibung für Schwangere angebracht. Denn sie verdauen das mit der Nahrung aufgenommene Eisen aufgrund hormoneller Umstellungen deutlich besser als andere Frauen, auf entsprechende Präparate reagieren sie oft wie auf ein wirkungsloses Plazebo. Zumindest was die positiven Wirkungen angeht. Bei den Nebenwirkungen hingegen muss der Eisenkonsument mit massiven Problemen rechnen. „Jeder Vierte“, so Ernährungswissenschaftler Stefan Weigt vom Verband für unabhängige Gesundheitsberatung, „klagt über Übelkeit, Erbrechen, Sodbrennen, Durchfall, Verstopfung oder Bauchweh.“ Hohe Dosierungen an Eisen blockieren zudem die Aufnahme von Zink, weil beide Mineralien um den chemischen Eintritt in den Organismus konkurrieren. Das arznei-telegramm berichtet von Hautverfärbungen, Herzjagen, Gliederschmerzen und anaphylaktischen Schocks durch Eiseninjektionen, die von manchem Arzt verabreicht werden, weil sie schneller und stärker wirken als Pillen und Tabletten.
Dabei gibt schon der unter Eisentherapie auftretende dunkle, fast schwarze Stuhlgang eine deutliche Warnung darauf, dass der Körper keine zusätzlichen Mengen des Schwermetalls mehr aufnehmen und es beseitigen will. Unter bestimmten Bedingungen verordnet er sich nämlich selbst einen Eisenmangel. Dann nämlich, wenn er unter einer Entzündung oder Infektion leidet. Viele Erreger gedeihen umso besser, je mehr Eisen sie im Blut finden. „Als man Kinder aus tropischen Regionen mit Eisenpräparaten behandelte“, berichtet Seuchenspezialist Stephen Oppenheimer vom Green College in Oxford, „erhöhte sich ihr Risiko für Malaria und andere Infektionen wie etwa eine Lungenentzündung.“
Ein deutsches Forscherteam entdeckte, dass Salbeiblüten, obwohl sie nur sehr wenig von dem Mineral enthalten, den Eisenpegel in die Höhe katapultieren. Die Erklärung: Die Blüten wirken entzündungshemmend. Dadurch muss der Körper weniger eisenhaltige Enzyme zum Aufrechterhalten der Entzündungsreaktionen aufwenden, so dass mehr Eisen für seine Blutbildung bleibt. Niedrige Eisenwerte haben also oft ihren biologischen Sinn, sie sollten nicht voreilig mit Supplementen behandelt werden. Zudem lassen sie sich auch jenseits von Tabletten und Spritzen nach oben bringen. So neigt pflanzliches Eisen dazu, sich mit bestimmten Nahrungsbestandteilen zu unverdaulichen Komplexen zu verbinden. Dazu gehören die Phytine aus Müsli und Haferflocken sowie die Oxalate aus Bohnen, Mangold, Rhabarber und Spinat. Werden nun diese Speisen lange eingeweicht oder gekocht, verlieren sie einen Teil ihrer Problemstoffe.
Schließlich sollte man auf Puddingpulver, vorgefertigte Brotaufstriche, Instantsuppen, Milchspeiseeis und fettreduzierte, aber trotzdem sahnige Desserts verzichten. Denn darin finden sich oft „Cremigmacher“ wie Alginat oder Guarkern- und Johannisbrotkernmehl, die Eisen an sich ketten und unverdaulich machen. Auch Schmerzmittel wie Azetylsalizylsäure oder Indometacin führen zu Eisenverlusten, und sollten daher nicht zu lange eingenommen werden.
JÖRG ZITTLAU