: Tabubruch in Rüstungsdebatte gesucht
AKTIONSTAG Deutsche Friedensorganisationen beklagen Höhe der Militärausgaben und fordern stattdessen Entwicklungsgelder. Griechenland stecke EU-Hilfe in Waffen aus Deutschland
MONTY SCHÄDEL, DFG-VK
BERLIN taz | Anlässlich des Global Day of Action on Military Spending am heutigen Dienstag, dem weltweiten Aktionstag gegen Militärausgaben, fordern die Initiativen der deutschen Friedensbewegung, dass auch Deutschland weniger Geld für Rüstung und mehr für Entwicklung ausgebe.
Die Juristenorganisation International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (Ialana), die seit 1988 gegen atomare, biologische und chemische Waffen kämpft, stellte am Montag eine Reihe von Aktionen vor, mit denen ein Bewusstsein für Militärausgaben geschaffen werden soll – darunter der Plan, einen Panzer aus Brot zu basteln.
„Das Problem, das wir zum Aktionstag deutlich machen wollen, ist: Entwicklung statt Rüstung wäre die Lösung“, sagte Moderatorin Christine Hoffmann von der katholischen Organisation Pax Christi. Deutschland ist mit seinen Militärausgaben laut den aktuellen Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri unter den Top-10-Ländern, gibt aber gleichzeitig weniger Geld für Entwicklung aus als seit Jahrzehnten offiziell angekündigt.
Vor 40 Jahren legten die wohlhabenden UN-Nationen sich darauf fest, sie wollten wenigstens 0,7 Prozent von ihrem Bruttonationaleinkommen für Entwicklung ausgeben. „2008 haben das Schweden, Luxemburg, Norwegen, Dänemark und die Niederlande geschafft“, sagte Hoffmann, „seither sonst niemand.“ Die deutsche Quote betrug zuletzt (2010) 0,38 Prozent.
Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, stellte fest, dass ausgerechnet das seit zwei Jahren von der akuten Pleite bedrohte Griechenland im Jahr 2011 das EU-Land mit den höchsten Militärausgaben sei, in BIP-Prozenten gemessen. „Wofür?“, fragt Thöne – „natürlich nur für Rüstungswaren, die hier produziert und die hier ausverkauft werden.“
Monty Schädel, Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), beklagte die wachsende Rolle, die die Bundeswehr in der deutschen Gesellschaft einnehme. Weil viele kulturelle Vereine jetzt wenig Geld hätten, behauptete er, stoße die Bundeswehr in diese Lücke. Schädel ging so weit, von einem „Militärstaat“ und einer „militärischen Gesellschaft“ zu sprechen.
Reiner Braun, Europa-Direktor von Ialana, sagte, die Friedensbewegung brauche einen „Tabubrecher“, um die Rüstungsdebatte anzuregen. Die Idee dafür: Beim Erdgipfel Rio+20 in Brasilien in Juni soll ein großer Panzer aus Brot gebaut werden, um zu zeigen, dass Militärausgaben besser für Essen benutzt werden könnten.
AARON WIENER
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8